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Die Nacht wird deinen Namen tragen (German Edition)

Die Nacht wird deinen Namen tragen (German Edition)

Titel: Die Nacht wird deinen Namen tragen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marco Lalli
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zeigte auf einen dicken Faschisten, der die Daumen im Gürtel breitbeinig in der Mitte der aufgeregt durcheinander redenden Menschen stand. Als dieser den deutschen Offizier sah, wischte er sich über den Mund und kam zu ihnen herüber.
    „Die Gebirgsjäger“, sagte er in gebrochenem Deutsch. Fast schien es Maximilian, er wolle sich über ihn lustig machen, „Heil Hitler!“ Und dann in der Sprache seiner Heimat: „Es ist uns eine Ehre.“
    „Was geht hier vor?“ Maximilians Italienisch war im Laufe der Jahre besser geworden. Er hatte noch immer einen starken Akzent, aber wenig Mühe, sich über die verschiedensten Themen zu unterhalten, auch wenn die Konversationsgruppe, die er in Hamburg zusammen mit einigen älteren Damen und unter Mithilfe eines italienischen Lektors ins Leben gerufen hatte, ihn nicht auf alle Erfordernisse eines Einsatzes im Kriegsgebiet hatte vorbereiten können.
    „Wir suchen Deserteure.“ Das runde rosige Gesicht des Milizionärs erinnerte Maximilian an ein Ferkel. Ein rosa Schweinchen in einer Phantasieuniform. Wäre das schwarze Hemd nicht gewesen, er hätte als Pirat durchgehen können, als Angehöriger einer Zirkustruppe. Auf dem Kragen war das Motto der frühen Jahre gestickt: Me ne frego ! - Ich pfeif auf alles! Zu der Verkleidung gehörten breite Hosenträger, eine speckige lederne Hose, ein sardischer Schäferhut und schwere schwarze Stiefel. Über der linken Brusttasche klimperte eine Medaillentraube: Orden aus dem Großen Krieg, aus dem Libyenfeldzug, ein Abzeichen des Automobilclubs von Florenz, Erinnerungen an Radrennen, an die Mitgliedschaft beim Roten Kreuz und bei der Freiwilligen Feuerwehr. Auch einige kommunistische Auszeichnungen waren darunter, blutgetränkte Bänder, die bei manch einer handfesten Auseinandersetzung dem politischen Gegner entrissen worden sein mochten.
    „Und die Alten?“
    „Die werden freigelassen, wenn sich ihre flüchtigen Söhne stellen.“
    Maximilian schaute in die finsteren Gesichter der Männer auf dem Lastwagen. „Was geschieht mit ihnen?“
    „Sie haben Gelegenheit, sich in der Armee der neuen Republik zu bewähren.“ Der Milizionär schlug mit dem Gewehrkolben gegen den Kotflügel: „Singt!“ Leise und ohne große Begeisterung wurde die faschistische Hymne Giovinezza angestimmt. „Lauter!“ Und zu Maximilian gerichtet: „Bis dahin dürfen sie singen. Es soll niemand behaupten, dass wir jemanden schlecht behandeln.“
    „Wer hat das angeordnet?“
    „ Maresciallo Cozzi in Aulla.”
    Maximilian, dem der Name nichts sagte, beschloss, ihn sich zu merken. Begleitet vom Gesang der entsetzlich falsch singenden Männer ging er zu seinem eigenen Wagen zurück.
    Es war dunkel geworden, der letzte Rest des abnehmenden Mondes noch nicht aufgegangen. Im Licht der blau eingefärbten Scheinwerfergläser war die Straße kaum zu erkennen, und der Fahrer hatte die Geschwindigkeit verringert. Aulla schien wie ausgestorben, und auch die Straße hinunter zur Küste lag verlassen vor ihnen. Nach einer weiteren halben Stunde kamen sie in Monteforte an.
    Am nächsten Morgen erwachte Maximilian vom Rauschen des Regens, der dicht auf die Dächer fiel und aus geborstenen Rinnen die Wände herabstürzte. Er platschte auf das Kopfsteinpflaster, sammelte sich zu kleinen Bächen und wusch den Dreck von den Straßen. Es roch nach Regen, so stark nach Regen, wie es immer riecht, wenn es lange Zeit nicht geregnet hat, nach nassem Staub, nassem Mörtel, nassen Ziegeln, nassem Stein, eine neue, aufregende Frische jenseits des Moders der stets feuchten Keller, der jahrhundertealten Steine der Häuser. Maximilian öffnete das Fenster, schob die Fensterläden zurück und lehnte sich weit hinaus. Der Himmel war bedeckt und schien doch offen und weit. Alles war in eine durchsichtige Helligkeit getaucht, in der die Dächer des Städtchens glänzten, die mittelalterlichen Fassaden der Häuser in ihrer ganzen Strenge heraustraten. Über die Straße hinweg unterhielten sich zwei Frauen lautstark in ihrem unverständlichen Dialekt. Ein alter Mann kam mit winzigen Schritten trippelnd um die Ecke, die triefende Schirmmütze tief ins Gesicht gezogen. In der Ferne läuteten Glocken, knatterte der Motor eines Wagens. Maximilian atmete tief ein. So ausgeruht er sich an diesem Tag fühlte, alle Sinne begierig, auch die geringste Kleinigkeit aufzunehmen, er meinte wirklich angekommen zu sein.
    Der Kommandoposten war in einem kleinen Hotel untergebracht, im requirierten Albergo

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