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Die Nacht wird deinen Namen tragen (German Edition)

Die Nacht wird deinen Namen tragen (German Edition)

Titel: Die Nacht wird deinen Namen tragen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marco Lalli
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irgendwann in der Küche erklärte, Schmetterlinge, Federn oder Fingerhüte und was die Phantasie sonst hergab. Zwei große Schüsseln wurden auf den Tisch gestellt, und jeder bediente sich daraus, immer darauf achtend, noch genügend Appetit für den secondo , den eigentlichen Hauptgang, aufzusparen, was angesichts von Pieros Kochkünsten nicht einfach war. Nur freitags gab es Suppe, minestrone zumeist, und dann entfiel auch die Wahl zwischen dem Fisch und dem Fleisch. Zu besonderen Anlässen oder an Feiertagen tischte Piero seine berühmte lasagne auf, dann stöhnte er schon lange vorher, dass eine gute Soße sechs Tage auf dem Feuer köcheln müsse, und er nachts mindestens zwei Mal aufzustehen habe, um sie umzurühren. Da Pieros Frau eine gebürtige Venezianerin war, wurde der toskanische Speiseplan gelegentlich durch polenta , gekochtes Maismehl, und manch einer Spezialität aus ihrer Heimat aufgelockert, Rinderleber mit Zwiebeln etwa. Eine lokale Besonderheit waren die Esskastanien, die vor allem als Mehl in Kuchen, aber auch in vielen anderen Gerichten und sogar beim Brotbacken verwendet wurden.
    Je länger das Essen andauerte, desto lebhafter wurden die Gespräche. Auf dem Tisch standen zwei große gläserne Karaffen mit Chianti. Der rote war hell wie ein Rosé, der weiße dunkelgelb, fast rötlich, so dass sie im schwachen Licht kaum zu unterscheiden waren. War der Pegel in einer der Karaffen so weit gefallen, dass  ein baldiges Versiegen drohte, beeilte sich jemand hinauszugehen, um sie aus großen Korbflaschen auffüllen zu lassen. Es wurde gelacht und geschrieen, und nur selten gelang es jemanden, die Nebengespräche zum Erliegen zu bringen und die Aufmerksamkeit aller auf sich zu ziehen. Meistens waren es Andreij oder Scott, die die Runde, wenn auch nur für wenige Minuten, einten. So war es auch, als Arkadij beim ersten Abendessen das Wort an ihn richtete: „Sagen Sie, Max, mit was gedenken eigentlich Sie, die Welt zu beglücken?“
    In die plötzliche Stille hinein, erschien ihm sein Räuspern viel zu laut. „Ich verstehe nicht...“
    Glücklicherweise wurden in diesem Augenblick die ersten Teller mit dem Hauptgericht hereingebracht, was von lauten Rufen der Freude begleitet wurde und ihm eine Atempause verschaffte. Massimo Giacometti beklagte sich, dass er Fisch statt Fleisch bekommen habe, wogegen seine Schwester unbeirrt behauptete, er habe nichts anderes bestellt. Josef, der auf sein Essen noch wartete, bot an, mit ihm zu tauschen, was Massimo mit der Bemerkung ablehnte, er könne diese Freundlichkeit keinesfalls annehmen. Maximilian starrte auf das dunkle, fast schwarze Fleisch auf seinem Teller. Es roch nach frischem Thymian, und er hatte gerade nach der Gabel gegriffen, als Scott nachsetzte.
    „Unser Freund Giacometti hat aus seiner Leidenschaft keinen Hehl gemacht, er ist Dichter.“ Sein Französisch war schlecht, und häufig musste er auf italienische oder gar englische Vokabeln zurückgreifen. „Ich bin, wie Sie wissen, novelist. Gestatten Sie mir, auch die restlichen Laster aufzudecken. Die Dame zu meiner Rechten ist eine einzigartige Pianistin.“ Er verneigte sich vor Lidia, was sie mit einem koketten Lächeln erwiderte. „Germaine dagegen ist Malerin. Paris! Natürlich! Was könnte man dort auch sonst werden? Arkadij dagegen – Russe, wie Sie wissen – ist natürlich Komponist und kein schlechter, glauben Sie mir, kein schlechter. Nun, Boris... Tja, er schreibt, er malt, was man als intellektueller Revolutionär eben so tut. Alles im Dienst der Arbeiterklasse, versteht sich.“ Die Frauen kicherten, die anderen lächelten amüsiert, und Maximilian fragte sich, wie ernst er Scotts Redeschwall nehmen konnte „Josef ist Architekt oder so was ähnliches, aber das erklärt er Ihnen am besten selbst, und unser stiller Freund Matteo, er ist übrigens ein paar Dörfer von hier geboren, ist Bildhauer. Na ja, als Pianist wäre er auch schlecht durchgegangen.“ Allgemeine Heiterkeit folgte seinen Worten. Scott trank sein Weinglas leer und strich sich über den dunklen Schnurrbart. Er schwitzte und sein Gesicht war gerötet. „Wie Sie sehen, ein illustrer Kreis, in den Sie hineingeraten sind. Also enttäuschen Sie uns nicht!“ Unter der Hand, aber doch so laut, dass es alle hören konnten, fügte er hinzu: „Notfalls erfinden Sie etwas!“
    „Ja, Max, verraten Sie uns Ihr kleines Geheimnis“, das war Germaine, und auch die anderen warfen etwas ein, um ihn zu ermuntern.
    „Ich... Ich

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