Die Nacht wird deinen Namen tragen (German Edition)
monarchistischen und einer proletarischen Heimat wählen zu können, eine Bemerkung, von der Laura nicht wusste, wie ernst sie gemeint war.
Letztendlich überwog also die Zuversicht, und als der Oktober voranschritt, ohne dass es zu ernsthaften Zwischenfällen mit der neuen Besatzungsmacht gekommen war, sah man sich aufs Schönste bestätigt.
3. Kapitel
Das Albergo Oceano erinnerte Maximilian mehr an eine Kaserne als an ein Hotel, und so hatte er ihn nach wenigen Tagen wieder verlassen und sich in ein kleines Häuschen in Sichtweite der Kommandantur einquartiert. Die große Villa am Rande des Städtchens, die ihm Hauptmann Guderjahn angeboten hatte, war ihm zu unpersönlich erschienen. Die Casa Letizia dagegen hatte ihm auf Anhieb gefallen. Das Haus war einstöckig mit viereinhalb Räumen, ein verwilderter Garten umgab es, und, was das wichtigste war, da es am Berg in der Nähe der Kirche gelegen war, hatte er einen guten Blick sowohl auf die Berge als auch auf das Meer.
Maximilian hatte sich schon nach wenigen Wochen eingelebt, ein Leben, das vor allem aus Schreibtischarbeit bestand, aus Berichten, Anweisungen und Verfügungen, und wären die kurzen Fahrten im offenen Geländewagen nicht gewesen und Gerd Seewald, sein Adjutant, der stets mit griffbereiter Maschinenpistole neben dem Fahrer saß, er hätte vergessen können, dass Krieg war und er Offizier einer fremden Besatzungsmacht. Er schrieb viel und musste ganze Papierberge durchsehen. Manchmal meinte er, wieder in seinem Verlagsbüro in Hamburg zu sitzen. Die Einschätzungen des Sicherheitsdienstes las er wie Romane über ein fremdes und gefährliches Land, in dem es von Feinden nur so wimmelte. Dort gab es bewaffnete Partisanen, die in den Bergen ihr Unwesen trieben, Spione, die im unwegsamen Gelände an ihren Fallschirmen absprangen, konspirative Gruppen, welche die Verwaltungen, die italienische Armee bedrohten und selbst vor den faschistischen Organisationen nicht Halt machten.
Wenn er aus dem Fenster die Straße hinunter zum kleinen Platz blickte, dann sah er nur friedliche Menschen, alte Frauen, die zum Markt gingen oder von der Kirche kamen, Ball spielende Kinder und rauchende Männer vor dem Caffé degli Svizzeri an der Ecke. Nach den ersten aufgeregten Tagen hatte das Leben in der kleinen Stadt wieder seinen gewohnten Gang genommen. Die neue Republik, die kleine Republik, wie sie abschätzig genannt wurde, schien gefestigt, und die Italiener wären keine Italiener gewesen, hätten sie sich nicht auch mit dieser Entwicklung irgendwie arrangiert.
An einem sonnigen Herbsttag Ende Oktober saß Maximilian im größten Zimmer der Casa Letizia, in dem ehemaligen Wohnzimmer, dem er mit Hilfe einiger Ordner und Registraturen und eines neuen Telefons einen amtlichen Anstrich verliehen hatte. Die eigentliche Kommandantur war nah. Musste ein Schriftstück hin- oder hergeschickt werden, ging einer der Fahrer, manchmal schlenderte auch Maximilian selbst über das wellige Kopfsteinpflaster zur grauen Fassade des Albergo hinüber. Dann nahm er den Hund mit, eine hellbraune Promenadenmischung, die ihm zugelaufen war, und die meiste Zeit im Garten auf einer Matte, war es zu kalt, auf der alten Couch im Gang lag. Dort schlief auch eine langhaarige graue Katze, die offenbar den ausquartierten Besitzern des kleinen Häuschens gehörte. Diese waren zu Verwandten aufs Land gezogen und hatten das Tier zurückgelassen. Vielleicht war es zu alt oder zu müde für die beschwerliche Reise.
Maximilian hatte gerade gefrühstückt und nippte lustlos an dem zu starken Kaffee, den Gerd Seewald gekocht hatte. Er las ein Schreiben von Generalmajor Knippschild, mit dem die versprochene personelle Aufstockung erneut in eine ungewisse Ferne rückte. Gelb und heiß fiel die Sonne auf das Papier, auf seine Hände. Er blinzelte. Dann zog er die Lesebrille ab, die er seit einiger Zeit tragen musste und rieb sich die Augen.
Als er sie wieder öffnete, stand sein Adjutant vor ihm. Der Wachsoldat hatte ihn hereingelassen, ohne dass er es bemerkt hätte. Die Frau sei da, meinte Seewald knapp, und als er Maximilians verständnisloses Gesicht sah, fügte er hinzu, die Haushaltshilfe, die sie seit geraumer Zeit suchten.
Tatsächlich hatte Maximilian schon bald nach seinem Einzug in der Casa Letizia einen Aushang gemacht, hatte auch über die üblichen Kanäle die Nachricht verbreiten lassen, er gedenke eine Haushälterin zu beschäftigen, hatte, nach einigen ereignislos verstrichenen
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