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Die Nacht zum Dreizehnten

Die Nacht zum Dreizehnten

Titel: Die Nacht zum Dreizehnten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dr. Thomas Bruckner
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und schnitt die überstehenden Fäden ab.
    »Und was soll nun mit dem Fingerling geschehen?« Dr. Heidmann deutete auf die Kanüle, die aus der Brust ragte und in den abgeschnittenen Finger des Handschuhs mündete.
    »Wir können das Schlauchende in ein Gefäß mit Wasser stecken. Das verhindert, wie der Siphon eines Wasserbeckens, daß Luft eindringt. Es würde aber die Luft, die sich noch in der Brusthöhle befindet, hinauslassen. Doch der Handschuhfinger genügt. Das kleine Loch an seinem Ende schließt sich, wenn Luft von draußen eindringen will, aber es läßt die Luft aus der Brusthöhle von innen nach außen abströmen.«
    »Wie kommt denn so ein Spannungspneu zustande?« Dr. Heidmann legte ein paar Mullplatten über die zugenähte Hautwunde. »So etwas ist mir an unserer Klinik bisher noch nicht begegnet.«
    »Solche Verletzungen findet man häufig bei Verkehrsunfällen. Durch das Auffahren auf einen anderen Wagen wird das Lenkrad gegen den Brustkorb gedrückt. Dabei kann die Lunge verletzt werden. Aus der verletzten Lunge aber strömt Luft aus. Diese Luft sammelt sich auf der verletzten Seite im Brustraum an, drückt die Lunge dort immer mehr zusammen, weil bei jeder Einatmung Luft in die Brusthöhle eintritt. Der Druck in der Brusthöhle steigt immer mehr an. Er drückt nicht nur die Lunge auf der verletzten Seite zusammen, sondern, da sich der Druck nun auch auf die andere Seite ausweitet, wird auch hier die Lunge zusammengedrückt. Der Verletzte kann schließlich überhaupt nicht mehr atmen und muß ersticken. Die einfachste Maßnahme, um dem drohenden Erstickungstod entgegenzuwirken, ist … eine Nadel in die Brusthöhle einzustechen! Durch diese Nadel kann die Luft entweichen und die Lunge sich wieder ausdehnen. Damit ist die Gefahr des Erstickungstodes beseitigt. Wir hätten hier nicht mehr viel länger warten dürfen …«
    »Müssen Sie jetzt auch noch die Brusthöhle eröffnen und das Loch in der Lunge nähen?« Dr. Heidmann folgte Schwester Ariane in den Waschraum.
    »Im allgemeinen nicht. Die Verletzung der Lunge schließt sich fast immer von selbst, aber das werden wir morgen sehen. Wenn der Verletzte Pech hat und die Verletzung schließt sich nicht, dann werden wir die Brusthöhle eröffnen und die Verletzung suchen müssen. Aber ich hoffe, das wird nicht nötig sein!« Sie schaute durch das Fenster und blickte in den OP, wo Chiron und Schwester Angelika damit beschäftigt waren, den Patienten auf eine fahrbare Trage zu legen, um ihn in ein Krankenzimmer zu bringen.
    Dr. Phisto blieb noch dabei stehen, nahm die Bluttransfusionsflasche vom Irrigatorständer und hielt sie hoch in der Hand, um sie zusammen mit dem Patienten in das Zimmer zu transportieren.
    »Aber was rede ich da für einen Unsinn!« Schwester Ariane hatte ihren Operationsmantel ausgezogen, wusch sich das Gesicht und die Hände und trocknete beides an einem sterilen Handtuch ab. »Ich habe doch kein Recht, Sie als Arzt zu belehren. Das steht mir als einfacher Schwester doch nicht zu.«
    »Aber ich bitte Sie!« Johann Heidmann half Ariane in ihren Visitenmantel. »Das ist nun mal ein Gebiet, von dem ich wirklich noch nichts verstehe. Außerdem sagt Dr. Bruckner immer, daß wir von Schwestern sehr viel lernen können. Wir sollen uns nur nicht aufs hohe Roß setzen und so tun, als ob wir alles wüßten! Eine erfahrene Schwester weiß eben wirklich mehr. Ich bin Ihnen sehr dankbar, daß Sie mir das alles gesagt haben.«
    Er begleitete Ariane Quenstadt auf den Flur. »Sie hätten eigentlich Medizin studieren sollen. Das Zeug dazu haben Sie. Meinen Sie nicht, Sie sollten es doch noch versuchen? Ich könnte mir denken, daß Ihnen die Examina gar nicht schwerfallen würden. Sie wissen ja mehr als jeder Student!«
    »Meinen Sie?« Auf Schwester Arianes Gesicht war ein undefinierbarer Ausdruck getreten. Sie schaute Heidmann mit einem Blick an, der ihm durch und durch ging.
    »Vielleicht sprechen wir noch einmal darüber – in ein paar Tagen. Gute Nacht!« Sie wandte sich um und ging mit raschen Schritten davon.
    Heidmann machte ein paar Schritte hinter ihr her. Er wollte sie eigentlich ins Schwesternhaus begleiten. Aber als er sah, daß sie keinerlei Anstalten machte, auf ihn zu warten, hielt er es für das beste, sie allein gehen zu lassen. Er wandte sich an Dr. Phisto, der jetzt zu ihm getreten war.
    »Das ist eine tolle Frau. Mein Gott – wenn ich halb soviel wüßtewie sie!«
    »Und so etwas ist nun eine simple Schwester.« Dr.

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