Die Nacht zum Dreizehnten
Aber Sie dürfen ihn nicht allzu ernst nehmen. Der Chef sagt immer, daß er ein großartiger Chirurg sei, aber sich sonst wie ein Elefant im Porzellanladen benimmt. Operieren lassen würde ich mich sofort von ihm, wenn es nötig würde. Aber behandeln lassen möchte ich mich von jemand anders, der auf mich mehr eingehen kann.«
Draußen wurden Schritte laut. Die beiden Ärzte Bruckner und Heidmann traten ein. Erschrocken griff Schwester Angelika nach ihrer Kaffeekanne.
»Lassen Sie nur!« winkte Thomas Bruckner ab. »Auch Schwestern müssen manchmal essen. Wenn Sie noch etwas Kaffee übrig haben sollten, würde ich mich gern anschließen. Wir sind außerdem –«, er schaute auf seine Uhr, »zehn Minuten früher gekommen als sonst. Da ist es durchaus verständlich, daß Sie mit Ihrem Frühstück noch nicht fertig sind. Wie ich sehe, scheint es zu schmecken.«
»Wir haben uns etwas verquatscht.« Schwester Angelika hatte sich erhoben. Sie trat an den Schrank, holte zwei Tassen hervor und stellte sie auf den Tisch. »Ich hoffe, es ist noch genügend da. Wenn nicht, brühe ich neuen auf.«
Sie goß die Tassen voll und nickte. »Wie abgemessen! Aber nun –«, wandte sie sich an Ariane, »haben Sie nur eine einzige Tasse bekommen.«
»Das reicht mir vorläufig. Ihr Kaffee ist so stark, daß eine einzige Tasse davon etwa drei Tassen eines Hotelkaffees entspricht – jedenfalls, was die Wirkung betrifft! Ich muß sagen, daß ich mich im Augenblick schon wieder ganz fit fühle.«
»Sie können jetzt in Ihr Zimmer gehen.« Schwester Angelika räumte die beiden leeren Tassen vom Tisch. »Wenn Sie Nachtwache gehabt haben, dann haben Sie den nächsten Vormittag frei. Schließlich müssen Sie ja auch mal schlafen.«
»Ich glaube, jetzt wird mir ein wenig Schlaf ganz guttun. Obwohl ich –«, ihr Blick ging zu Schwester Angelika hin, die die Tassen in ein Spülbecken stellte und Wasser darüber laufen ließ, »ja einen Teil der Nacht schlafend im Sessel zugebracht habe. Wird das nun eigentlich von meiner Freizeit abgezogen?«
Schwester Angelika kam zurück. Sie war verblüfft. »Darüber habe ich noch nicht nachgedacht. Ich glaube, das ist nicht nötig. Gehen Sie rüber, und legen Sie sich hin. Es ist jetzt halb acht. Vielleicht weckt Ihr Magen Sie zur Mittagszeit. Dann kommen Sie rüber. Sie bekommen hier etwas zu essen.«
Thomas Bruckner hatte von seinem Kaffee getrunken und sagte: »Es ist eigentlich schade, daß Sie jetzt schlafen gehen. Ich hatte mich schon gefreut, mit Ihnen Visite machen' zu können. Wie geht es Ihrem Patienten?«
»Gut. Ich meine, daß wir heute die Punktionskanüle aus dem Brustkorb entfernen können.«
»Können wir das?« Dr. Bruckners Augen ruhten amüsiert auf Schwester Arianes Gesicht, die unter diesen Blicken errötete. »Nun ja – wenn Sie es meinen, dann will ich es gern tun. Oder wollen sie es machen? Wer etwas eingestochen hat, soll es auch wieder herausziehen. Ist das nicht eine alte Regel?«
Ariane wurde unsicher. Sie wußte nicht, was der ironische Blick Dr. Bruckners bedeuten sollte.
»Ach – machen Sie es nur! Oder aber –«, sie hatte sich gefangen und ihre Unsicherheit überwunden, »wenn Sie damit bis heute nachmittag warten wollen, dann will ich es auch gern selbst tun.«
»Und nun machen Sie, daß Sie endlich ins Bett kommen«, schalt Schwester Angelika gutmütig. »Da wird sie erst zu einer Operation gerufen, muß den wichtigsten Teil des Eingriffes selbst ausführen, wird dann noch von mir zur Nachtwache eingeteilt … Da wird es doch wohl höchste Zeit, daß sie endlich ein bißchen Ruhe findet.«
Dr. Bruckner erhob sich. Er begleitete Ariane zur Tür: »Bis heute mittag dann! Und träumen Sie etwas Schönes!«
Er schloß die Tür hinter ihr und kehrte zu Dr. Heidmann zurück. Schwester Angelika war zur Tür gegangen. »Sie entschuldigen mich. Ich muß noch ein paar Sachen auf Station richten. Sie brauchen mich jetzt nicht?«
»Nicht im Augenblick! Wir werden später Visite machen.« Er setzte sich neben Dr. Heidmann, als Schwester Angelika gegangen war. »Ich war drüben auf der Verwaltung.« Er nahm die Tasse und trank den Kaffee in kleinen Schlucken aus. »Und habe mich nach Schwester Ariane erkundigt. Da ist von einer Einstellung überhaupt nichts bekannt! Die Schwester, die gestern kommen sollte, ist nicht erschienen. Das war alles, was man mir sagen konnte. Sie hieß außerdem nicht Ariane, sondern Helene und sollte …«
Heidmann schaute
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