Die Nacht zum Dreizehnten
stark geschwollen, daß er sie kaum öffnen konnte. Er versuchte mit aller Gewalt, sie aufzubekommen und stellte verwundernd fest, daß eine Schwester neben ihm eingeschlafen war.
Er streckte seine Hand aus und wollte die schlafende Schwester an seiner Seite wecken, um zu fragen, was mit ihm geschehen sei. Dann zog er seine Hand wieder zurück. Er konnte sie ja auch morgen fragen.
Er legte seinen Kopf so hin, daß er Schwester Ariane im Blickfeld hatte. Er konnte sich an diesen ebenmäßigen Zügen nicht satt sehen. Morgen würde er ihr sagen, wer er wirklich ist. Er hatte mit der Nennung seines Namens bei Frauen immer jeden gewünschten Erfolg, weil ihn alle vom Bildschirm her kannten.
Morgen, dachte er, sage ich ihr, daß ich Dietmar Bursoni bin. Er sprach es halblaut vor sich hin, dann übermannte ihn wieder der Schlaf. Vergeblich versuchte er, dagegen anzukämpfen. Als der Mondschein das Zimmer verließ, fielen ihm die Augen zu. Er schlief tief und fest.
*
»Sie sind ja eine feine Nachtschwester!«
Ariane Quenstadt fuhr hoch. Sie wußte nicht, wo sie war. Eben noch hatte sie von zu Hause geträumt. Sie hatte mit David, ihrem geliebten Sohn, gespielt.
Erschrocken blinzelte sie Schwester Angelika an, die vor ihr stand und sie kopfschüttelnd betrachtete. »Nun schlafen sie beide! Ihr Schützling schläft immer noch.«
Ariane stand auf. Sie rieb sich die Augen. Erst als ihr Blick auf den Kranken fiel, wurde ihr bewußt, was geschehen war. Die Verwechslung, die Operation gestern abend, die Nachtwache, zu der man sie als angebliche Schwester eingeteilt hatte …
»Entschuldigung – aber ich war einfach zu müde. Es geht ja auch alles gut.« Ganz allmählich bekam sie sich wieder in die Gewalt und konnte vernünftig reagieren.
»Gehen Sie nur ins Dienstzimmer, ich habe schon Kaffee aufgebrüht, Sie können gern eine Tasse haben. Außerdem ist Ihr Dienst ja nun vorbei. Ich bin wieder da, und die Herren werden auch bald kommen.«
Sie trat an das Bett heran und legte ihre Hand auf die Schulter des Patienten. »Unser Herr Streiber wird auch wach. Wie geht es Ihnen denn? Ich wünsche Ihnen einen wunderschönen guten Morgen! Sie fangen tatsächlich an, schon etwas menschenähnlicher auszusehen. Gehen Sie nur«, forderte sie Schwester Ariane auf, die an die andere Seite des Bettes getreten war, »und trinken Sie Ihren Kaffee. Sie haben ihn verdient. Ich werde Herrn Streiber inzwischen waschen.«
»Sie wollen ihn waschen?«
»Ja! So, wie man einen frisch Operierten wäscht. Katzenwäsche; aber das brauche ich Ihnen als Schwester ja nicht zu erklären.«
Ariane Quenstadt mußte gestehen, daß sie nicht einmal wußte, wie Schwerkranke auf einer Station gewaschen werden. Das war sicherlich ein Manko in der Ausbildung. Hatte nicht einmal jemand gesagt, daß eine Hausfrau kein Personal beaufsichtigen und Anordnungen geben dürfte, wenn sie nicht selbst kochen und putzen gelernt hat? Galt dasselbe nicht auch für einen Arzt? Auch er sollte eigentlich wissen, welche Arbeiten ein Pfleger oder eine Krankenschwester ausüben muß.
»Nun gehen Sie schon!« Schwester Angelika hatte einen Waschlappen genommen, der auf der Konsole des Beckens lag. Sie tränkte ihn mit kaltem Wasser.
»Ich möchte Ihnen lieber helfen. So lange kann ich mit dem Kaffee auch noch warten.« Schwester Ariane begleitete Schwester Angelika zum Bett.
»Was wollen Sie mir helfen bei der Katzenwäsche?« Mit ein paar energischen Strichen fuhr sie dem Kranken mit dem nassen Waschlappen über das Gesicht und kehrte zum Waschbecken zurück. Sie spülte den Waschlappen durch, tränkte ihn erneut mit kaltem Wasser, kehrte zurück und wusch auf die gleiche Art die Hände des Kranken.
»Das wäre es! Nun ja …« Sie wusch den Lappen aus, legte ihn auf die Konsole zurück und ging zur Tür. »Dann können wir gemeinsam ins Dienstzimmer gehen. Ich leiste Ihnen bei einer Tasse Kaffee gern Gesellschaft.«
Sie wandte sich noch einmal um. »Wenn Sie irgend etwas brauchen«, erklärte sie dem Kranken, »dann klingeln Sie nur. Der Klingelknopf liegt auf Ihrer Bettdecke. Ich habe ihn mit einer Sicherheitsnadel festgesteckt, damit er nicht runterfallen kann. Guten Morgen!«
Sie öffnete die Tür und ließ Ariane als erste hinaus.
»Sie haben sich vielleicht gewundert, warum ich den Kranken so burschikos angepackt habe!« Sie war vor der Tür zum Dienstzimmer stehengeblieben. »Es ist eine alte Erfahrungstatsache, daß man dem Kranken mehr Mut gibt, wenn man
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