Die Nacht zum Dreizehnten
zurückkam.
»Ja, Sie können ein Zimmer mit Bad haben. Darf ich Ihren Koffer nehmen?«
Er trug ihn in die Hotelhalle; Ariane stieg aus und zahlte das Fahrgeld.
Der Portier schob ihr einen Anmeldeblock hin. »Wie lange werden Sie bleiben?«
Sie zuckte mit den Schultern. »Wahrscheinlich nur eine Nacht. Ich sage Ihnen morgen früh Bescheid.« Sie nahm den Kugelschreiber, den ihr der Portier reichte, und füllte das Formular aus.
»Ich bringe Sie in Ihr Zimmer.« Der Portier nahm den Koffer, ging zum Fahrstuhl und öffnete die Tür.
Er ließ Ariane einsteigen, folgte ihr und wollte ein Gespräch anfangen, doch als er den geistesabwesenden Ausdruck auf dem blassen Gesicht der Frau sah, ließ er es sein. Er schloß ein Zimmer auf und ließ sie eintreten. »Der Zimmerpreis schließt das Frühstück mit ein«, erklärte er. Er blieb noch einen Augenblick an der Tür stehen, als erwarte er noch einen Wunsch oder eine Frage. Doch als die Dame nicht reagierte, verließ er achselzuckend das Zimmer.
*
Yvonne Bergmann hatte ihren Mann überredet, einen Leihwagen zu nehmen. »Wenn wir die Küste entlangfahren, haben wir doch mehr von der Reise, als wenn wir im Zug sitzen und nicht da anhalten können, wo wir wollen.«
Sie hatten also Marseille verlassen und fuhren an der herrlichen Küstenstraße entlang. Hinter Hyères bat Robert Bergmann seine Frau, langsamer zu fahren. »Wir kommen gleich bei Bormesles-Mimosas vorbei. Da mußt du dann rechts fahren, dort liegt das Fischerdorf Cabasson. Das ist wahrscheinlich die schönste Erinnerung aus meiner Jugendzeit. Ein völlig menschenleerer Strand. Die Bewohner haben die Straße, die dort hineinführt, absichtlich mit Schlaglöchern versehen, damit sich kein Tourist hinwagt.«
Bergmann wurde immer aufgeregter, je mehr sich der Wagen dem Ort näherte.
»Halt!« Er deutete auf ein Straßenschild. »Jetzt rechts rein!«
Yvonne schaute ihn lächelnd an. »Von Schlaglöchern ist aber nichts zu merken.« Sie fuhr langsam über einen Weg, der durch einen Eichenwald führte. »Man hat das Gefühl, daß die Straße besonders gut geteert ist.«
»Da gibt es ein kleines Lokal ›Chez Michel‹. Der kocht die beste Bouillabaisse, die man sich vorstellen kann.«
»Hat gekocht, meinst du – vor mehr als einem Menschenalter«, versuchte Yvonne, die Begeisterung ihres Mannes zu dämpfen.
Es schien, als ob der alte Herr gar nicht zuhörte, was sie sagte. Seine Blicke waren nach vorn gerichtet. Er deutete aufgeregt nach links. »An der Kreuzung mußt du links einbiegen.«
Lächelnd verlangsamte Yvonne das Tempo und bog am Kreuzweg links ein. Der Duft der Provence erfüllte die Luft. Grillen zirpten und bildeten die Begleitmusik zu dem Landschaftsbild.
»Genau wie damals!« Auf Robert Bergmanns Gesicht lag ein glückliches Lächeln. »Die Grillen sind auch noch da und –«, er zeigte auf eine entrindete Eiche, »die alten Korkeichen. Da wird die Rinde abgeschält und zu Kork verarbeitet«, erklärte er.
Yvonne verlangsamte das Tempo. »Ist da Jahrmarkt?«
»Wieso?« Bergmann schaute sie erstaunt an.
»Hörst du nicht die Radiomusik? Man glaubt sich einer Diskothek zu nähern. Und –«, sie schnupperte, »eben noch roch es nach Provence. Jetzt habe ich das Gefühl, Frittenduft in der Nase zu verspüren …«
Sie fuhr noch langsamer. Rechts und links parkten Autos an der Straße. Der Musiklärm wurde immer stärker.
Es schien, als ob mehrere konkurrierende Lautsprecher um die Wette schrien …
Die Straße endete auf einem freien Platz. Zu beiden Seiten standen Buden, die Pommes frites und andere Eßwaren verkauften. Yvonne mußte ihr Tempo noch mehr verlangsamen, um die vielen Menschen nicht zu überfahren, die dort auf der Straße standen, oder in ihren Badekostümen kreuz und quer herumliefen.
»Ist das dein kleines Paradies?« frage sie – und bedauerte im gleichen Augenblick, einen etwas ironischen Ton angeschlagen zu haben.
Ihr Mann saß in sich zusammengesunken da und blickte erschrocken vor sich hin. »Mein Gott, hier hat sich aber auch alles verändert!«
»Wollen wir an den Strand gehen?«
Einen Augenblick lang sah es so aus, als ob Bergmann ablehnen wollte, aber dann nickte er: »Wir wollen den bitteren Becher ruhig bis zur Neige leeren. Ich glaube, schlimmer kann es flicht mehr werden.«
Yvonne hatte Mühe, den Wagen abzustellen. Schließlich sah sie einen bewachten Parkplatz vor sich, fuhr darauf zu und hielt.
»Selbst daraus schlagen die Leute hier noch
Weitere Kostenlose Bücher