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Die Nachtwächter

Die Nachtwächter

Titel: Die Nachtwächter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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Funkelgasse.
    Ja.«
    Er war zurück.
    Nicht al zu viele Schritte trennten ihn von der Sirupminenstraße, und
    als er sich dem Wachhaus zuwandte, fiel ihm die Farbe auf.
    Dort war er, wuchs über eine Gartenmauer hinweg. Überal in der
    Stadt gab es Flieder. Es war eine zähe Pflanze, die nicht so schnel
    verzagte, womit sie sich bestens für Ankh-Morpork eignete. Mumm
    betrachtete die angeschwollenen Blütenknospen.
    Er stand da wie ein Mann, der auf ein altes Schlachtfeld starrte.
    … Sie fliegen empor mit den Händen nach oben, mit den Händen, den Händen nach oben…
    Mumm rief sich innerlich zur Ordnung. Stell dir vor, dass die Dinge
    nacheinander geschehen, dachte er. Geh nicht davon aus, dass du weißt,
    was passiert, denn vielleicht passiert es nicht. Sei du selbst.
    Und weil Mumm er selbst war, besuchte er kleine Läden in dunklen
    Gassen, kaufte dort gewisse Dinge und machte sich an die Arbeit.

    Gegen Mittag war das Haus der Nachtwache in der Sirupminenstraße
    meistens leer, aber Mumm wusste, dass zumindest Schnauzi da sein
    würde. Er war ein Beharrlicher Herumhänger, wie Nobby und auch
    Colon, Karotte und selbst Mumm, wenn man es genau nahm. Im
    Dienst zu sein – das war ihr normaler Zustand. Sie hielten sich selbst
    dann im Wachhaus auf, wenn sie nicht im Dienst waren, denn dort fand
    ihr Leben statt. Die Identität des Polizisten hängte man nicht einfach an
    den Nagel, wenn man nach Hause ging. Aber ich werde lernen, wie man
    das macht, dachte Mumm. Wenn ich zurückkehre, wird al es anders
    sein.
    Er ging nach hinten und trat durch den Stal eingang. Die Tür war
    nicht einmal verriegelt. Die erste schlechte Note, Jungs. Die eiserne
    Masse des Gefangenenwagens stand leer auf dem Kopfsteinpflaster.
    Dahinter befand sich das, was man »Stäl e« nannte. Eigentlich waren
    die Ställe das Erdgeschoss von etwas, das zum industriellen Erbe von
    Ankh-Morpork zählte, falls jemand es aus dieser Perspektive sehen
    wol te. Die Leute hielten den ganzen Kram für Schrott, der zu schwer
    war, um weggeschafft zu werden. Es waren Teile der Winden einer
    alten, längst aufgegebenen Sirupmine. Einer der Fördereimer war noch
    vorhanden, an den Boden geklebt von seiner letzten Fracht: Der
    schwere, klebrige Rohsirup war im getrockneten Zustand härter als
    Zement und wasserdichter als Teer. Mumm erinnerte sich daran, wie er
    als Kind von den Grubenarbeitern Erdsirupbrocken erbettelt hatte. Ein
    kleines Stück mit der Süße prähistorischen Zuckerrohrs genügte, um
    den Mund eines Kindes eine Woche lang glücklich geschlossen zu
    halten.*
    In dem Stal mit dem Sirupdach stand das Pferd und kaute auf
    schlechtem Heu. Mumm wusste, dass es ein Pferd war, denn es hatte
    vier Hufe, einen Schweif, einen Kopf mit einer Mähne und ein schäbig
    wirkendes Fell. Aus einem anderen Blickwinkel gesehen war es eine
    halbe Tonne Knochen, von Rosshaar zusammengehalten.
    Mumm klopfte ihm behutsam auf den Rücken – als natürlicher
    Fußgänger hatte er sich in der Nähe von Pferden immer unwohl
    gefühlt. Er nahm ein schmutziges Klemmbrett von einem nahen Haken
    und blätterte. Dann sah er sich noch einmal auf dem Hof um. Tilden
    hielt sich nie damit auf. Er sah sich den Schweinestal in der Ecke an, in
    dem Klopf sein Schwein hielt, dann den Hühnerauslauf, den
    Taubenschlag und die ungeschickt zusammengehämmerten
    Kaninchenkäfige. Anschließend stel te er einige Berechnungen an.
    Das alte Wachhaus! Es war alles da, genau wie damals, als er
    begonnen hatte. Einst waren es zwei Häuser gewesen, und eins davon
    hatte als Büro für die Sirupmine gedient. Alles in der Stadt war einmal
    etwas anderes gewesen. Dieser Ort war ein Irrgarten aus versperrten
    Türen, alten Fenstern und winzigen Zimmern.
    Mumm wanderte umher wie in einem Museum. Dort der alte Helm
    auf einem Stock, für Zielübungen! Und dort Feldwebel Klopfs
    Lehnsessel mit den gebrochenen Federn! Darin saß er an sonnigen
    Nachmittagen…
    Und drinnen der Geruch: Bohnerwachs, alter Schweiß, Poliermittel
    für Brustharnische, Tinte, das vage Aroma von gebratenem Fisch und

    * Aus den Wäldern der Vorzeit wird Kohle, und auf die gJeiche Weise können
    sich natürliche Ansammlungen von Zuckerrohr unter dem Druck der
    Jahrtausende in eine Masse verwandeln, die man in verschiedenen Regionen
    der Scheibenweit Leckerbrei, Erdsirup oder Felsmelasse nennt. Doch das
    Rohmaterial musste lange gekocht und gereinigt werden, um den
    dickflüssigen, goldenen Sirup zu ergeben, den

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