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Die Nachtwächter

Die Nachtwächter

Titel: Die Nachtwächter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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Wisst ihr wenigstens die Namen der Gefangenen?«
    »Der Befehl lautet, sie zu übergeben«, erwiderte Klopf und versuchte
    es mit ein wenig Trotz. »Wir sol en die Leute zur Sondergruppe bringen
    und dann gehen.«
    Mumm merkte sich das, um später noch einmal darauf
    zurückzukommen. »Nun, ich bin nicht dorthin gebracht worden, weil
    wir ein… Missverständnis hatten. Und wie ihr seht, war es ein größeres
    Missverständnis, als ihr dachtet, denn ich sitze nicht im Kittchen und zähle dort die Kakerlaken, Klopf. Nein, ganz gewiss nicht.« Er trat
    einige Schritte vor. »Ich stehe vor dir, Klopf. Das stimmt doch, oder?«
    »Ja, Chef«, murmelte Klopf. Furcht und Zorn hatten ihn erbleichen
    lassen.
    »Ja, genau«, sagte Mumm. »Aber es saß noch jemand in der Zel e, und
    der ist jetzt weg. Ich möchte nur dies wissen: wie viel und für wen?
    Spart euch die Blicke engelhafter Unschuld und Antworten in der Art
    von ›Ich weiß überhaupt nicht, wovon du redest, Herr‹. Ich möchte
    schlicht und einfach wissen: wie viel und für wen?«
    Eine Wolke aus roter, verärgerter Solidarität senkte sich auf die
    Gesichter vor Mumm herab. Aber er brauchte gar keine Antwort. Er
    erinnerte sich. Korporal Schrul e hatte immer ein privates Einkommen
    aus Schmiergeldern gehabt. Er war wie Nobby Nobbs gewesen, aber
    ohne dessen liebenswürdige Inkompetenz. Ein tüchtiger Nobby, und
    man konnte der Mischung noch Schikane, Arschkriecherei und Freude
    an Gemeinheiten hinzufügen.
    Mumms Blick fiel auf Schrul e und verharrte dort.
    »Ich weiß, dass du gestern Abend mit dem Wagen unterwegs warst«,
    sagte er. »Zusammen mit dem Gefreiten, äh, Mumm. So steht es hier.«
    »Die Anständigen brauchen wir nicht zu belästigen«, sagte Schrul e.
    Und der junge Mumm fragte: »Wie stellen wir fest, ob jemand anständig ist, Korporal?«
    »Indem wir herausfinden, wie viel er sich leisten kann.«
    »Du meinst, wir lassen die Reichen gehen?«
    »Das ist der Lauf der Welt, mein Junge, der Lauf der Welt. Ich sehe keinen Grund, warum wir nicht unseren Anteil daran bekommen sol ten. Siehst du diesen Geldbeutel hier? Fünf Dol ar sol ten genügen. Vier für mich und einen für dich, weil du noch lernst. Das ist der Sold von fast drei Tagen, und deine Mutter freut sich bestimmt, und wer hat den Schaden?«
    »Aber angenommen, er hat das Geld geklaut, Korporal?«
    »Angenommen, der Mond besteht aus Käse. Möchtest du ein Stück?«
    »Ich glaube, es waren fünf Dollar, Korporal«, sagte Mumm und
    beobachtete, wie Schrul es Blick zu dem jungen Gefreiten huschte.
    »Nein, ich weiß es von dem Mann in der Zelle«, log Mumm. »Er
    meinte, ich sei ein Narr, weil ich mich nicht freikaufte. Nun, Herr
    Schrul e, die Sache sieht so aus: Die Tagwache sucht nach guten Leuten,
    aber wenn du nicht zu sehr im Licht stehst, nimmt sie dich vielleicht.
    Ich schlage vor, du brichst sofort auf!«
    »Al e machen es!«, platzte es aus Schrul e heraus. »Es sind
    Nebeneinkünfte !«
    »Alle?«, fragte Mumm, und musterte die anderen Wächter. »Alle
    lassen sich bestechen?«
    Sein Blick glitt von Gesicht zu Gesicht, und sofort verwandelten sich
    die Wächter in Dielen-und-Decke-Inspektoren. Nur drei begegneten
    Mumms Blick: Obergefreiter Colon, der ein wenig schwer von Begriff
    sein konnte; ein gewisser junger Mann, die Miene vol er Entsetzen; und
    ein dunkelhaariger, rundgesichtiger Gefreiter, der verwirrt wirkte und
    anscheinend versuchte, sich an etwas zu erinnern. Er hatte den
    unerschütterlichen Blick des wahren Lügners.
    »Offenbar nicht«, sagte Mumm.
    Schrul es Zeigefinger schoss nach vorn und deutete zitternd auf den
    jungen Sam Mumm.
    »Er hat auch was davon genommen! Frag ihn!«
    Mumm spürte den Schock der Truppe. Schrul e hatte gerade
    Selbstmord begangen. Man hielt gegen Offiziere zusammen, und selbst
    wenn das Spiel aus war: Auf keinen Fall verpetzte man jemanden. Die
    Männer hätten über die Vorstel ung einer Wächterehre gelacht, aber sie
    existierte, auf eine dunkle, verdrehte Art und Weise. Man riss
    niemanden rein. Schon gar nicht einen Grünschnabel, der es nicht
    besser wusste.
    Zum ersten Mal wandte sich Mumm dem jungen Mann zu, den er
    bisher zu ignorieren versucht hatte.
    Bei den Göttern, bin ich jemals so dürr gewesen?, dachte er.
    Und hatte ich einen so großen Adamsapfel? Und habe ich wirklich
    versucht, Rost zu polieren?
    Der junge Mann hatte so sehr die Augen verdreht, dass in ihnen kaum
    mehr als das Weiße zu sehen war.
    »Gefreiter Mumm,

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