Die Nachtwächter
Lineal auf den Schreibtisch. Diesmal hatte Mumm es gedreht, und die stählerne Kante bohrte sich ins Holz.
»Möchtest du, dass ich dich verdresche?«, knurrte er.
Der kleine Mann rollte mit den Augen. »Bitte nicht!«
»Gibt es noch einen anderen Ausgang?« Mumm ließ das Lineal noch einmal auf den Schreibtisch klatschen.
Ein kurzer Blick, Hinweis genug. Mumm bemerkte eine Tür, fast verborgen in der Holzvertäfelung.
»Gut. Wo kommt man da heraus?«
»Äh…«
Mumm war jetzt Nase an Nase mit dem Mann, der ihm, im Sprachgebrauch der Polizei, bei den Ermittlungen half.
»Du bist hier ganz allein«, sagte Mumm. »Du hast hier keine Freunde. Du hast hier gesessen und Dinge für einen Folterer aufgeschrieben, für einen verdammten Folterer! Und ich sehe hier einen Schreibtisch, und er hat eine Schublade, und wenn du
jemals
wieder einen Stift in der Hand halten willst, solltest du mir alles sagen, was ich wissen will…«
»Lagerhaus!«, stieß der Mann hervor. »Nebenan!«
»Gut. Danke. Du hast mir sehr geholfen.« Mumm senkte die Hand, sodass die Füße des kleinen Mannes wieder den Boden berührten. »So, mein Lieber, und jetzt lege ich dir Handschellen an und fessle dich an den Schreibtisch, zu deinem eigenen Schutz…«
»Vor… vor wem willst du mich schützen?«
»Vor mir. Ich töte dich, wenn du zu fliehen versuchst, Freundchen.«
Mumm eilte in den Hauptraum zurück. Der Folterer war noch immer bewusstlos. Nicht ohne Mühe zog er ihn auf den Stuhl, nahm ihm die Kapuze ab und erkannte das Gesicht. Das Gesicht, aber nicht die Person. Solche Gesichter sah man oft in Ankh-Morpork: groß und mit blauen Flecken, das Gesicht eines Mannes, der nie gelernt hat, dass es grausam ist, Leute selbst dann noch zu schlagen, wenn sie das Bewusstsein verloren haben. Mumm fragte sich, ob es ihm gefiel, Menschen zu Tode zu prügeln. Oft dachten solche Burschen überhaupt nicht darüber nach und hielten es einfach für einen Job.
Mumm schnallte ihn auf dem Stuhl fest mit allen Lederriemen, auch dem für die Stirn. Als er den letzten festzog, kam der Mann wieder zu Bewusstsein. Sein Mund klappte auf, und Mumm schob die Kapuze hinein.
Dann nahm er den Schlüsselring und schloss die Haupttür ab, was ihnen ein wenig mehr Privatsphäre sichern sollte.
Auf dem Weg zu den Zellen kam ihm Sam entgegen. Sein jüngeres Selbst wirkte sehr blass.
»Jemanden gefunden?«, fragte Mumm.
»Oh, Oberfeldwebel…«
»Ja?«
»Oberfeldwebel…« Tränen rannen über die Wangen des Gefreiten Mumm.
Mumm streckte die Hand aus und stützte sein jüngeres Selbst. Sam fühlte sich an, als hätte er überhaupt keinen Knochen mehr im Leib. Er zitterte.
»In der letzten Zelle ist eine
Frau,
und sie… oh, Oberfeldwebel…«
»Atme tief durch«, sagte Mumm. »Obgleich sich diese Luft kaum zum Atmen eignet.«
»Und am Ende gibt es einen Raum, Oberfeldwebel, und Nimmernich ist in Ohnmacht gefallen…«
»Aber du nicht«, sagte Mumm und klopfte ihm auf den Rücken. »Und in dem Raum…«
»Retten wir, was noch zu retten ist, Junge.«
»Aber wir waren mit dem Gefangenenwagen unterwegs, Oberfeldwebel!«
»Was?«, erwiderte Mumm. Und dann verstand er.
»Aber wir haben niemanden übergeben, Junge«, sagte er. »Erinnerst du dich?«
»Aber ich war auch vorher mit dem Wagen unterwegs, Oberfeldwebel! Das gilt für uns alle! Wir haben den Unaussprechlichen einfach die Leute überlassen und sind dann zum Wachhaus zurückgefahren, um Kakao zu trinken, Oberfeldwebel!«
»Ihr hattet eure Befehle…«, meinte Mumm, obwohl diese Bemerkung kaum etwas nützte.
»Wir hatten
keine Ahnung
!«
Nein, das stimmt nicht ganz, dachte Mumm. Wir haben nicht
gefragt.
Und wir haben vermieden, daran zu denken. Menschen erreichten das Gebäude durch den Vordereingang, und einige der armen Teufel verließen es durch die geheime Tür, nicht immer in einem Stück.
Sie hatten den Ansprüchen nicht genügt.
Ebenso wenig wie wir.
Mumm hörte ein kehliges Knurren, das von dem Jungen kam – Sam hatte den festgeschnallten Folterer entdeckt. Er schüttelte Mumms Hand ab, eilte zu dem Gestell und nahm einen Knüppel.
Mumm war bereit. Er hielt den Jungen fest, drehte ihn und nahm ihm das Ding aus der Hand, bevor er einen Mord beging.
»Nein! Das ist der leichte Weg! Dies ist nicht der richtige Zeitpunkt! Halte es zurück! Zähme es! Vergeude es nicht! Schick es zurück! Es wird kommen, wenn du es rufst!«
»Du weißt, was er angestellt hat!«, rief Sam und trat nach
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