Die Nachtwächter
nahm ein Stück vom Kuchen, kaute nachdenklich und blickte dabei nach oben.
»Hmm«, sagte er nach einer Weile.
»Nun?«, fragte Winder.
»Tut mir Leid, Euer Exzellenz«, erwiderte Schleckschlecht. »Nichts. Ich dachte zunächst, ein wenig Zyanid entdeckt zu haben, doch leider waren es nur die Mandeln.«
»Überhaupt kein Gift?«, fragte der Patrizier. »Du meinst, der Kuchen ist essbar?«
»Ja. Mit einer Kröte wäre er besser, aber das ist nur meine bescheidene Meinung.«
»Können die Bediensteten jetzt servieren, Euer Exzellenz?«, fragte Madame.
»Traue niemals Bediensteten, die etwas servieren«, sagte Lord Winder. »Schleichen umher und könnten einem was unterjubeln.«
»Hast du etwas dagegen, wenn ich serviere, Euer Exzellenz?«
»Äh, nein«, erwiderte Lord Winder und behielt den Kuchen im Auge. »Ich nehme das neunte Stück.« Aber er schnappte sich das fünfte und triumphierte wie jemand, der etwas Kostbares aus einem Trümmerhaufen gerettet hatte.
Der Kuchen wurde geschnitten. Lord Winders Einwände in Bezug auf servierende Bedienstete galten für andere Leute nicht, und so breitete sich die Party ein wenig aus, als die Gäste über die uralte Frage nachdachten, wie man einen Teller in der einen und ein Glas in der anderen halten und trotzdem etwas essen konnte, ohne einen der albernen Glashalter an den Teller zu stecken, mit dem man wie ein Vierjähriger aussah. Das erfordert hohe Konzentration, was der Grund dafür sein mochte, dass plötzlich alle so sehr mit sich selbst beschäftigt waren.
Die Tür öffnete sich. Eine Gestalt betrat den Raum. Winder sah auf und blickte über seinen Teller hinweg.
Es war eine schlanke Gestalt, mit Kapuze und Maske. Und sie trug Schwarz.
Winder riss die Augen auf. Um ihn herum schwoll das Geräusch der Gespräche an, und der hypothetische Beobachter auf dem Balken weit oben hätte vermutlich bemerkt, dass sich die Gezeiten der Party auf subtile Weise verschoben und einen breiten Weg frei ließen, der von der Tür bis zu Winder reichte, dessen Beine sich nicht bewegen wollten.
Die Gestalt näherte sich und griff mit beiden Händen über die Schulter. Als die Hände wieder zum Vorschein kamen, hielt jede von ihnen eine kleine Armbrust. Es klickte zweimal, und die Leibwächter sanken zu Boden. Dann warf die Gestalt die Armbrüste fort und näherte sich weiter. Ihre Schritte waren völlig lautlos.
»Brw?«, fragte Winder. Sein offener Mund steckte voll Kuchen. Um ihn herum unterhielten sich die Gäste. Irgendwo hatte jemand einen Witz erzählt. Gelächter erklang, vielleicht ein wenig schriller als sonst. Der Geräuschpegel stieg erneut.
Winder blinzelte. Assassinen verhielten sich nicht auf diese Weise. Sie schlichen umher. Sie blieben in der Dunkelheit. Dies hier geschah nicht im wirklichen Leben.
Und dann stand die Gestalt vor ihm. Winder ließ seinen Löffel fallen, und dem Klappern auf dem Boden folgte plötzliche Stille.
Es gab noch eine andere Regel. Der Inhumierte sollte, wann immer möglich, erfahren, wer der Assassine war und wer ihn geschickt hatte. Die Gilde hielt das nur für gerecht. Winder wusste nichts davon, und die Assassinengilde hatte das alles nicht an die große Glocke gehängt, aber in seinem Entsetzen stellte er dennoch die richtigen Fragen.
»Wer hat dich geschickt?«
»Ich komme von der Stadt«, sagte die Gestalt und zog ein dünnes, silbriges Schwert.
»Wer bist du?«
»In gewisser Weise bin ich… deine Zukunft.«
Die Gestalt holte mit dem Schwert aus, aber es war bereits zu spät – der Dolch des Entsetzens stieß zu. Winders Gesicht war scharlachrot, und seine Augen starrten ins Leere. Aus seinem Hals und durch den Kuchen im Mund drang ein Geräusch, das ein Quietschen mit einem Seufzen vereinte.
Die dunkle Gestalt ließ ihr Schwert sinken, beobachtete den Patrizier in der wartenden Stille und sagte: »Buh.«
Sie hob eine Hand in einem schwarzen Handschuh und gab Lord Winder einen kleinen Stoß. Der Mann kippte nach hinten, und sein Teller zerbrach auf den Fliesen.
Der Assassine hielt sein blutloses Schwert auf Armeslänge und ließ es neben der Leiche auf den Boden fallen. Dann drehte er sich um, ging langsam zurück, verließ den Saal und schloss die Tür hinter sich.
Madame zählte in aller Ruhe bis zehn, bevor sie schrie. Das schien lange genug zu sein.
Lord Winder stand auf und sah eine ganz in Schwarz gekleidete Gestalt.
»Noch einer? Woher kommst du denn gekrochen?«
I CH KRIECHE NICHT .
Winder
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