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Die Nachtwächter

Die Nachtwächter

Titel: Die Nachtwächter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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Polizistensprache übersetzt bedeutete es Mumms Meinung nach: Kümmere dich um das, was du vor dir siehst.
    Ich bin hier, dachte Mumm. Und dies ist jetzt. Weniger bewusste Teile seines Gehirns fügten hinzu: Hier hast du keine Freunde. Kein Zuhause. Keine Aufgabe. Hier bist du allein.
    Nein, nicht allein, sagte ein Teil, der noch viel tiefer in ihm steckte als der Schrecken und immer Wache hielt.
    Jemand beobachtete ihn.
    Eine Gestalt löste sich aus den feuchten Schatten der Straße und näherte sich. Das Gesicht konnte Mumm nicht erkennen, aber das war auch gar nicht nötig. Er wusste, dass es das spezielle Lächeln eines Raubtiers lächelte, das sein Opfer unter der Pranke weiß und außerdem weiß, dass auch das
Opfer
darüber Bescheid weiß, ein Opfer, das verzweifelt versuchen wird, sich so zu verhalten, als führten sie ein ganz normales, freundliches Gespräch, denn es wünscht sich nichts sehnlicher als das…
    Du möchtest hier nicht
sterben
, sagte der tiefe, dunkle Teil von Mumms Seele.
    »Hast du ein Streichholz?«, fragte das Raubtier. Es machte sich nicht einmal die Mühe, eine Zigarette zu zeigen.
    »Oh, natürlich«, sagte Mumm. Er gab vor, auf seine Taschen klopfen zu wollen, doch stattdessen wirbelte er herum, streckte den Arm aus und traf den heranschleichenden Mann am Ohr. Anschließend sprang er dem Streichholzsucher entgegen, schlang ihm den Arm um die Kehle und riss ihn von den Beinen.
    Es hätte geklappt. Später wusste er, dass es wirklich geklappt hätte. Ja, es
hätte
geklappt, wenn nicht die beiden anderen Halunken gewesen wären. Einem von ihnen trat er gegen die Kniescheibe, bevor sich die Garotte um seinen Hals schloss.
    Man zog ihn hoch, und die Narbe heulte Schmerz, als er den Strick zu lockern versuchte.
    »Halt ihn fest«, sagte eine Stimme. »Seht euch nur an, was er mit Jez gemacht hat. Verdammt! Ich trete ihm in die…«
    Die Schatten bewegten sich. Mumm rang nach Luft, und sein linkes Auge tränte. Er bekam nur halb mit, was geschah. Jemand ächzte, und einige sehr seltsame Geräusche erklangen, und dann ließ der Druck an seinem Hals plötzlich nach.
    Er sank nach vorn, keuchte und kam mühsam auf die Beine. Zwei Männer lagen auf dem Boden. Einer von ihnen krümmte sich und blubberte leise. In der Ferne, und die Entfernung wuchs schnell, rannte jemand.
    »Zum Glück haben wir dich noch rechtzeitig gefunden«, sagte eine Stimme direkt hinter Mumm.
    »Für einige andere war es kein Glück, Schätzchen«, sagte eine Stimme direkt daneben.
    Rosie trat vor und löste sich aus den Schatten. »Du solltest besser mit uns zurückkehren. Wenn du weiter so herumläufst, stößt dir früher oder später etwas zu. Komm. Natürlich bringe ich dich nicht zu mir…«
    »Natürlich nicht«, murmelte Mumm.
    »Aber ich schätze, Moosig kann einen Platz für dich finden.«
    »Moosig Rasen!«, entfuhr es Mumm. Ihm wurde plötzlich schwindelig. »Das ist er! Der Doktor! Ich erinnere mich!« Er versuchte, den Blick des einen müden Auges auf die junge Frau zu richten. Ja, die Knochenstruktur war richtig. Das Kinn… Mit einem solchen Kinn war nicht zu spaßen. Ein solches Kinn setzte sich durch. »Rosie… Du bist Frau Palm!«
    »Fräulein Palm«, erwiderte sie kühl, während die Schmerzlichen Schwestern schrill kicherten.
    »Nun, ich meine…« Mumm unterbrach sich. Nur den älteren Damen ihres Gewerbes gebührte der Ehrentitel »Frau«. Diese Rosie war noch zu jung…
    »Ich habe dich nie zuvor gesehen«, sagte Rosie. »Ebenso wenig wie Dutzie und Putzie, und sie haben ein erstaunlich gutes Gedächtnis für Gesichter. Aber du benimmst dich wie der Herr im Haus, John Keel.«
    »Tatsächlich?«
    »Ja. Es liegt an der Art, wie du stehst. Offiziere stehen so. Du isst gut. Vielleicht ein wenig zu gut. Es wäre nicht schlecht für dich, ein paar Pfund zu verlieren. Und du hast überall Narben. Ich habe sie bei Moosig gesehen. Deine Beine sind von den Knien abwärts gebräunt, was auf ›Wächter‹ hindeutet, denn die sind mit bloßen Beinen unterwegs. Aber ich kenne jeden Wächter in der Stadt, und du gehörst nicht zu ihnen. Vielleicht bist du beim Militär. Du kämpfst instinktiv und wirst dabei ziemlich gemein. Das bedeutet, du bist daran gewöhnt, in einem Handgemenge um dein Leben zu kämpfen, und das ist seltsam, denn es bedeutet ›Fußsoldat‹, nicht ›Offizier‹. Es heißt, man hätte dir eine gute Rüstung abgenommen, und auch das weist auf einen Offizier hin. Aber du trägst keine

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