Die Nachtwächter
solltet ihr euch darüber Sorgen machen?«, fragte Mumm. »Ihr müsst einfach nur ein wenig mit der Zeit herumspielen und dafür sorgen, dass es überhaupt nicht geschehen ist.«
»Das haben wir nicht vor«, sagte der andere Mönch.
»Und was könnte ich anstellen? Soll ich den Leuten erzählen, dass die irren Mönche, die sie manchmal auf der Straße sehen, die Zeit manipulieren? Man würde mich für verrückt halten und einsperren! Wer bist du überhaupt?«
»Das ist Qu«, sagte Kehrer und nickte dem anderen Mönch zu. »Er wird dich zurückbringen, wenn es Zeit wird. Aber noch ist es nicht so weit.«
Mumm seufzte. Der Zorn löste sich jetzt auf und hinterließ ein hoffnungsloses, bleiernes Gefühl. Er starrte auf die Steine, die den größten Teil des Gartens beanspruchten. Sie wirkten seltsam vertraut. Er blinzelte.
»Ich habe heute mit Menschen gesprochen, die
sterben
werden«, sagte er. »Wie, glaubt ihr, fühle ich mich jetzt? Wisst ihr, wie sich so etwas anfühlt?«
Die Mönche musterten ihn verwirrt.
»Äh… ja«, sagte Qu.
»Das wissen wir tatsächlich«, sagte Kehrer. »Jeder, mit dem wir sprechen, stirbt irgendwann. Jeder, mit dem du sprichst, stirbt irgendwann. Alle sterben.«
»Ich habe Dinge verändert«, sagte Mumm und begann, sich zu verteidigen: »Warum auch nicht? Carcer nimmt überhaupt keine Rücksicht! Ich weiß nicht, wie die Sache ausgeht! Verändert man nicht schon die Geschichte, wenn man auf eine Ameise tritt?«
»Für die Ameise bestimmt«, sagte Qu.
Kehrer winkte. »Ich habe es dir erklärt, Herr Mumm. Die Geschichte findet einen Weg. Sie ist wie ein Schiffswrack. Du schwimmst zum Ufer, und die Wellen brechen, was auch geschieht. Steht nicht geschrieben ›Dem großen Meer ist es gleich, wohin die kleinen Fische schwimmen‹? Menschen sterben, wenn ihre Zeit gekommen ist…«
»Keel nicht! Carcer hat den armen Kerl niedergeschlagen.«
»Seine Zeit war in
dieser
Gegenwart gekommen, Kommandeur«, sagte Qu. »Aber er
wird
seine Rolle in der anderen spielen, Herr Mumm. Letztendlich. Du wirst das Ufer erreichen. Du musst. Andernfalls…«
»… gibt es kein Ufer«, vervollständigte Kehrer den Satz.
»Nein«, sagte Mumm. »Es muss noch mehr geben. Ich schwimme nicht, ich ertrinke. Wisst ihr, zu Anfang hat es Spaß gemacht. Wie ein freier Abend. Die Straße wieder unter den Füßen spüren. Aber jetzt… Was ist mit Sybil? Gehen meine Erinnerungen wirklich auf reale Ereignisse zurück? Ich
weiß,
dass sie eine junge Frau ist, die bei ihrem Vater wohnt.
Existiert
eine Welt, in der sie meine Frau ist und mein Kind in sich trägt? Ich meine, existiert sie
wirklich
? Oder ist das alles nur Phantasie? Könnt ihr mir
beweisen,
dass es eine solche Welt gibt? Wird geschehen, was geschehen ist? Oder bahnt sich ganz etwas anderes an? Was ist
real
?«
Die Mönche schwiegen. Kehrer sah Qu an, der mit den Schultern zuckte. Kehrer blickte noch eindringlicher, daraufhin hob Qu kurz die Hand, was so viel bedeutete wie: »Na schön, wider besseres Wissen…«
»Ja-a«, sagte Kehrer ganz langsam. »Ja, ich glaube, da können wir dir helfen, Kommandeur. Du möchtest wissen, ob eine Zukunft auf dich wartet. Du möchtest sie in der Hand halten und ihr Gewicht spüren. Du möchtest einen Punkt, an dem du dich orientieren kannst, der dir hilft, sicher zu navigieren. Ja, ich glaube, da können wir dir helfen. Aber…«
»Ja?«
»Aber du kletterst über die Mauer zurück, und Oberfeldwebel Keel wird sich seinen Aufgaben stellen. Er steht die Sache durch. Er gibt die Befehle, die er für richtig hält, und es
werden die richtigen Befehle sein.
Er hält die Dinge zusammen. Er erfüllt seine Pflicht.«
»Er ist nicht der Einzige«, sagte Mumm.
»Ja, Kommandeur Mumm hat ebenfalls eine Aufgabe.«
»Keine Sorge, ich lasse Carcer nicht zurück«, knurrte Mumm.
»Gut. Du wirst von uns hören.«
Mumm warf den Zigarrenstummel beiseite und sah zur Mauer hoch.
»Na gut«, sagte er. »Ich steh’s durch. Aber wenn die Zeit kommt…«
»Dann sind wir bereit«, erwiderte Kehrer. »Solange du…«
Er unterbrach sich. Ein subtiles Geräusch erklang – als kröche eine Schlange aus Silizium über den Boden.
»Meine Güte«, sagte Qu.
Mumm senkte den Blick. Der Zigarrenstummel schwelte noch. Und um ihn herum bewegte sich der Garten der Innenstadtruhe. Einzelne Kieselsteine glitten übereinander hinweg. Ein großer, vom Wasser glatt geschliffener Felsen schwebte gemächlich vorbei und drehte sich. Und dann
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