Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Nachtwächter

Die Nachtwächter

Titel: Die Nachtwächter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
Vom Netzwerk:
Er rang schon seit einer ganzen Weile mit sich, ohne den Mut zu finden, eine Entscheidung zu treffen. Vermutlich konnten die Mönche einem Mann, der sie verärgerte, viele Unannehmlichkeiten bereiten, aber so, wie sich die Dinge entwickelten…
    Das Pflichtbewusstsein teilte ihm mit, dass der neue Hauptmann auf ihn wartete. Mumm hörte nicht darauf. Er war nicht im Besitz aller Fakten.
    Er erreichte den Eingang des Wachhauses, blieb stehen und schloss die Augen. Jemand, der ihn beobachtete, musste den Eindruck gewinnen, dass er zwei Zigarettenstummel auszutreten versuchte, einen mit jedem Fuß. Danke für die dünnen Sohlen, Rosie. Er lächelte.
    Er dachte mit dem Gehirn in seinen Füßen. Und wie der junge Sam bemerkt hatte: Die Füße verfügten über ein eigenes Gedächtnis.
    Runde Kopfsteine von der üblichen Art. In diesem Teil der Stadt war das Pflaster nicht gut verlegt worden: Die Steine bewegten sich ein wenig… Und bevor er zum Wachhaus gekommen war, hatten Mumms Füße zweimal größere Kopfsteine gefühlt, in schmalen Streifen: Ausbesserungen nach dem Verlegen von Rohren. Und davor hatten sie einen ähnlichen Streifen gespürt, aus Schotter, von Wagenrädern so zermahlen, dass er praktisch eine Rinne bildete.
    Einige Dutzend Schritte zuvor war Mumm mehrmals um die eigene Achse gedreht worden, und der letzte Boden davor hatte aus… Matsch bestanden.
    Er ging mit geschlossenen Augen und stieß gegen einen Karren.
    Matsch, dachte er und stand wieder auf, ohne die verwunderten Blicke der Passanten zu beachten. Das bedeutete eine Gasse. Mal sehen… Ah, ja, dort drüben…
    Es dauerte zwanzig Minuten.
    Die Leute blickten ihm nach, als er durch die Straßen ging und an sicheren Stellen die Augen schloss, damit seine Füße besser sahen. Aber manchmal sah er sich um, und dann fühlte er die Ruhe vor dem Sturm: Überall wuchs die Anspannung und wartete, bereit dazu, sich bei der ersten Gelegenheit zu entladen. Die Leute waren unruhig – die
Herde
war unruhig –, und sie wussten nicht genau, warum. Verwirrung stand in vielen Gesichtern.
    Mumm setzte seinen Weg fort. Grobe Steinplatten zwischen zwei alten Pflasterbereichen mit so genannten Trollköpfen… Das gab es nur in diesem Teil der Stadt, wo die Zinnstraße die Ulmenstraße kreuzte, und davor… große Steine, einige der ältesten in der ganzen Stadt. Im Laufe von Jahrhunderten hatten zahllose mit Eisen beschlagene Wagenräder Furchen darin hinterlassen. Eine Straße in unmittelbarer Nähe der Stadtmauer… ja. Mumm passierte die Grubengasse, blieb auf der Ulmenstraße – und verlor die Spur. Ein Gitter im Pflaster bot ihm einen neuen Hinweis. Das Gitter eines Kellers. Eines
kühlen
Kellers. Mit einem abgewetzten Wappen. Buttermarkt. Ja. Nur weiter so, Füße!
    Auch hier hatten ihn die Mönche gedreht… Lange Ziegel, besonders fest gebrannt, dann moderne Steinplatten, gut gelegt und angepasst. Sie konnten einen täuschen, wenn man nicht wusste, dass man sich in der… ja, Steinmetzstraße befand, und hier
gab
es Steinmetze, und sie hielten das Pflaster in Ordnung. Jetzt eine Gasse suchen, mit Matsch, der viel Schotter enthielt, denn die Steinmetze wurden dort ihren Abfall los. Und es gab kleine Hubbel, wo Rohre durch den Boden führten. Gut. Und jetzt quadratische Kopfsteine…
    Mumm öffnete die Augen.
    Ja.
    Auf der linken Seite sah er einen Block aus drei Gebäuden. Ein Tempel, eingezwängt zwischen zwei Ramschläden. Es war… nur ein Tempel, der ein wenig ausländisch aussah, aber galt das nicht für alle? Etwas an ihm deutete auf das hohe Mittland hin, wo alle von Jaks oder so lebten.
    Die Tempeltür war verriegelt. Mumm zerrte an der Klinke und hämmerte mit dem Schwert gegen das Holz, ohne irgendeine Wirkung zu erzielen. Es blieb nicht einmal ein Kratzer zurück.
    Aber die Tür des Gebrauchtwarenladens nebenan war offen. Der Ort wirkte vertraut. Ein solcher Laden war einmal sein Schneider und sein Schuhmacher gewesen. Und er hatte immer geöffnet, wie ein Pfandleiher. Mumm trat ein, und sofort umgab ihn staubige Dunkelheit.
    Der Laden war eine Höhle aus Stoff. Alte Anzüge hingen von der Decke herab. Uralte Regale bogen sich unter Stapeln aus Hemden, Westen und Socken. Alte Kisten ragten in der Düsternis auf; gelegentlich stieß Mumm mit dem Knie gegen eine von ihnen. Er kam an großen Haufen abgetragener Stiefel vorbei und nahm den Geruch wahr. Wenn Armut einen Geruch hatte, so diesen. Wenn demütiger Stolz einen Geruch hatte, so diesen.

Weitere Kostenlose Bücher