Die Nachtwanderin
Augen konnte man eine Lust erkennen, vor der sich Mimma fürchtete. Es war keine sexuelle Lust, sondern die Lust nach Blut.
"Alle sechs Monate, also zweimal im Jahr, veranstalte ich mit der Erlaubnis der Ältesten im E.O.N. die Nacht der Vampire.
Die Menschen kommen nur mit einer persönlichen Einladung in den Club. Sie werden nach den Kriterien ausgewählt, ob sie Stammgäste sind und ob ein Vampir bereits von ihnen gekostet und ihr Blut als köstlich erachtet hat.
Nicht geladene Gäste, die wir im Entity of Night noch nicht gesehen haben, werden am Eingang mit Hilfe von Talons Geruchssinn ausselektiert.
Wer nicht gut riecht, kommt nicht rein.
Und dann kommen die Vampire ins Spiel, denn eine Party mit einem kostenlosen Blutbüffet, mit reichhaltiger Auswahl, spricht sich unter ihnen schnell herum.
Es werden viele Mitglieder aus unserer Familie kommen. Vampire die ich gut kenne und welche, die ich weniger gut kenne. Doch das Blutbüffet spricht sich auch unter Vampiren herum, die nicht zu unserer Familie gehören. Diese kommen extra von weit hergereist, um mit eigenen Augen zu sehen, wie wir von den ahnungslosen Menschen trinken, ohne, dass wir sie töten. Auch hier ist mir Talon eine große Hilfe, denn er muss sie in die geheimen Regeln des Clubs einweisen.
Ab einer gewissen Uhrzeit lasse ich im Club sämtliche Türen verschließen. Niemand kommt mehr rein oder raus. Ich gebe dann das geheime Zeichen und dann ist das Büffet sozusagen eröffnet", erzählte Ardric mit bebender Stimme, voller Vorfreude auf das bevorstehende Ereignis. Es schien, als ob er es kaum noch abwarten konnte. Mimma atmete schwer. Sie hatte zwar mit dem Schlimmsten gerechnet, doch das war noch schlimmer, als sie es sich ausgedacht hatte.
"Aber die Menschen verfallen doch in eine Panik, wenn sie euer wahres Gesicht sehen", meinte Mimma und sah Ardric verwirrt an, denn sie verstand nicht, wie er überhaupt die Idee dazu haben konnte, Menschen als lebende Blutkonserven in seinem Club anzubieten. Sie wusste zwar bereits über die geheime Clubphilosophie Bescheid, dass sich hin und wieder echte Vampire unter die Menschen mischten und sich von deren Blut nährten, doch nicht in einem solchen Ausmaß, wie Ardric es für die heutige Nacht prophezeit hatte.
"Du brauchst dir über die Menschen keine Gedanken zu machen. Die meisten kommen doch sowieso nur ins E.O.N. in der Hoffnung einen echten Vampir kennen zu lernen.
Außerdem wird jeder Mensch erst hypnotisiert, bevor ich das Blutbüffet eröffne. Selbst die Sicherheitsleute und die Barkeeper werden hypnotisiert, damit alles reibungslos von statten geht.
Ich betreibe meinen Club schon seit ein paar Jahren und es ist noch nie zu einem tödlichen Zwischenfall gekommen. Du kannst mir also vertrauen, dass auch diese Nacht nichts passieren wird", versicherte er Mimma, doch die schien noch nicht allzu sehr von dieser Idee überzeugt zu sein. Sie stellte sich das schlimmste Szenario vor und legte Ardric ihre Überlegungen dar.
"Aber was ist, wenn einer der Vampire in einen Blutrausch verfällt, die anderen damit anstachelt und es ein riesiges Blutbad gibt?", fragte sie nach. Ardric schien sich über Mimmas Worst-Case-Szenario sichtlich zu amüsieren, denn ein vergnügtes Grinsen huschte über seinen Lippen.
"Vampire fallen nur in einen Blutrausch, wenn sie ihr Opfer vorher jagen und ihm Angst machen, damit das menschliche Blut mit Adrenalin angereichert wird und somit einen süßlichen Geschmack annimmt.
Doch genau das unterbinde ich in meinem Club. Die Menschen werden hypnotisiert und werden keine Angst haben. Zusätzlich haben Talon und ich ein Auge auf alles. Du kannst also wirklich sicher sein, dass es den Menschen gut geht und niemand dabei verletzt wird", erklärte ihr Ardric.
"Du und Talon könnt doch nicht ganz alleine so viele Vampire und Menschen unter Kontrolle halten!", wendete Mimma ein.
"Da hast du Recht, aus diesem Grund werden mir von den Ältesten extra Vampire zur Seite gestellt, die mir helfen, die Sicherheit der Menschen zu gewähren. Sie helfen beim Hypnotisieren, beim Einweisen der fremden Vampire und sie agieren ebenfalls als Aufpasser.
Das hat bis jetzt immer so funktioniert, warum sollte es also nicht auch heute so funktionieren", meinte Ardric zufrieden und beseitigte somit jeden von Mimma zuvor erwähnten Zweifel. Doch dann fiel Mimma plötzlich doch noch ein Einwand ein. Aufgeregt schnappte sie nach Luft.
"Und was ist mit mir?
Mein Blut ist das, was der Apfel für Adam und Eva war.
Weitere Kostenlose Bücher