Die nächste Begegnung
dieses Wort ganz bewusst gewählt. Einem Schatz bringt man große Wertschätzung entgegen . Und dieser Mann, dieser wunderbare Arzt, der den ganzen Tag und manchmal die ganze Nacht dafür arbeitet, um uns gesund zu erhalten, misst ganz offen sichtlich dem menschlichen Leben gleichfalls einen ganz hohen Wert bei.
Dr. Turner hat in seiner Rede nicht gesagt, warum wir Mittel für sein Programm zur Verfügung stellen sollten, sondern nur, was für eine Krankheit das ist und wie er versuchen möchte, sie zu bekämpfen. Er nahm an, ihr alle hättet begriffen, warum. Doch nachdem ich mir Mr Macmillan angehört habe«, sie warf ihrem Vorredner einen langen Blick zu, »sind mir da doch einige Zweifel gekommen.
Wir müssen einfach diese schreckliche Krankheit weiter erforschen, bis wir sie erfasst haben und sie beherrschen können, weil ein Menschenleben ein kostbares Gut ist. Jede Person ist ein einzigartiges, einmaliges Wunder, eine bestürzend komplexe Verbindung von Chemikalien und individuellen Begabungen, Träumen und Erfahrungen. Und nichts könnte für die gesamte Kolonie von höherem Nutzen sein als Anstrengungen, die der Erhaltung menschlichen Lebens dienen.
Aus der heutigen Debatte entnehme ich, dass Dr. Turners Programm kostspielig ist. Aber wenn dafür eine Erhöhung der Steuern notwendig ist, dann wird ja wohl jeder von uns bereit sein, auf irgendeinen besonderen kleinen persönlichen Luxus zu verzichten, den er sich gönnen wollte. Als Preis für die kostbare Nähe eines andren Menschen ist das wahrlich ein recht geringes Opfer.
Meine Familie und meine Freunde sagen oft zu mir, ich sei hoffnungslos naiv. Vielleicht ist das so. Doch könnte es ja auch sein, dass meine Arglosigkeit mir eine klarere Sicht auf die Dinge ermöglicht als anderen, die mit Scheuklappen herumlaufen. In dem jetzigen strittigen Fall, glaube ich, genügt es, euch eine einzige Frage zu stellen: Wenn du selbst oder ein Angehöriger deiner Familie eine RV-41-positive Diagnose gestellt bekäme, würdest du dann gegen Dr. Turners Programm stimmen? — Ich danke euch allen herzlich.«
Während Ellie das Rednerpult verließ, herrschte eine gespenstische Stille. Dann brach donnernder Applaus los. Nicole und Eponine hatten Tränen in den Augen. Drunten im Saal streckte Dr. Turner Ellie beide Hände entgegen.
6
Als Nicole die Augen aufschlug, saß Richard bei ihr am Bett und hielt ihr eine Tasse Kaffee entgegen. »Du hast uns aufgetragen, dich um sieben zu wecken«, sagte er.
Sie setzte sich auf und nahm ihm den Kaffee ab. »Danke, Liebster, aber warum hast du nicht den Line ...«
»Weil ich beschlossen hatte, dir deinen Kaffee höchstpersönlich ans Bett zu bringen ... Es gibt wieder was Neues von der Zentralebene. Und darüber wollte ich mit dir reden ... Ja, ja, ich weiß schon, wie wenig du es magst, wenn man dich in aller Frühe gleich mit Problemen überfällt.«
Nicole trank einen großen Schluck Kaffee langsam in sich hinein. Dann lächelte sie Richard zu. »Also — was sind das für Neuigkeiten?«
»Heute Nacht gab es zwei neue Zwischenfälle mit Leggies.
Damit sind das in dieser Woche fast ein Dutzend. Den Berichten zufolge töteten unsre Verteidigungsstreitkräfte drei Leggies, die unser Technikerteam >bedrohten<.«
»Haben sich die Leggies irgendwie zur Wehr zu setzen versucht?«
»Nein. Nach den ersten Gewehrsalven rannten sie zu dem Bohrloch in ihrem Modul zurück ... Die meisten entkamen, genau wie vorgestern.«
»Und du bist noch immer überzeugt, dass es sich dabei um ferngesteuerte Beobachter handelt? Wie es die Spinnen-Bioten in Rama eins und zwei waren?«
Richard nickte. »Und du kannst dir natürlich vorstellen, was für einen Eindruck die anderen von uns entwickeln müssen ... Wir schießen ohne Provokation auf unbewaffnete andre Geschöpfe ... Wir reagieren auf einen reinen Kontaktversuch mit aggressiver Feindseligkeit ...«
»Ich finde das auch scheußlich«, sagte Nicole leise, »aber w as können wir tun? Der Senat hat den Erkundungsteams ausdrücklich d as legale Recht zur >Selbstverteidigung< zugesprochen.«
Richard setzte gerade zu einer Antwort an, als er Benjamin bemerkte, der in der Tür stand. Der junge Mann lächelte ihnen strahlend entgegen. »Darf ich reinkommen, Mutter?«, fragte er.
»Aber sicher doch, mein Junge«, erwiderte Nicole und breitete weit die Arme aus. »Komm her und gib mir einen ganz dicken Geburtstagskuss.«
»Alles Gute zum Geburtstag, Benjy«, sagte Richard, als der große
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