Die nächste Begegnung
für sie unglaublich hoch seien.
Wieso sollte die übrige Bevölkerung zu Opfern und Einsparungen gezwungen werden, um eine so kleine Minorität zu verhätscheln?«, sagte er. »Es gibt andere, dringlichere Bereiche, in denen zusätzliche Mittel erforderlich sind, Probleme, von denen jeder Einzelne unserer Kolonisten betroffen ist und bei denen es wahrscheinlich direkt um unser Überleben geht.«
Und als Ian Macmillan dann seine Version der Leggies-Story vorbrachte, wonach diese Kreaturen aus dem benachbarten Rama-Modul »hervorstürzten« und das friedliche Forscherteam der Eden-Kolonie »in Angst und Schrecken versetzten«, klang das, als sei diese »Attacke« nur das erste Scharmützel in einem planmäßigen Rassenkrieg gewesen. Er malte die Schreckensvision, dass den Beinlingen »noch weit scheußlichere Wesen« folgen und die Kolonisten terrorisieren würden, »ganz besonders die Frauen und Kinder«. Macmillan sagte: »Geld, das wir für unsere Verteidigung aufwenden, kommt uns allen zugute!«
Außerdem stellte der Gouverneurskandidat die Behauptung in den Raum, dass die Klimaforschung ein zweites und »weitaus für das Gesamtwohl der Kolonie wichtigeres« Aufgabenfeld sei als das von Dr. Turner umrissene Gesundheitsprogramm. Er pries die von Dr. Laura Hickman und ihrem Team in dieser Hinsicht bereits geleistete Arbeit und beschwor eine Zukunftsvision herauf, in der jeder in der Kolonie genau über die bevorstehende Wetterentwicklung informiert sein werde.
In seiner Rede wurde er mehrfach durch Applaus von der Zuschauergalerie unterbrochen. Als er dann doch noch auf die »an RV-41 leidenden Einzelpersonen« zu sprechen kam, umriss Macmillan einen »kosteneffizienteren Plan«, wie »man« mit »dieser schrecklichen Tragödie dieser Leute fertigwerden« könne. »Wir werden ihnen ein ganz neues, eigenes Village bauen«, verkündete er hochgemut, »draußen vor New Eden, wo sie ihre letzten Tage in Frieden und ungestört verleben können.«
»Es ist meine feste Überzeugung«, sagte er, »dass alle künftigen medizinisch-sozialhygienischen Bemühungen im RV-41Bereich sich strikt darauf beschränken sollten, alle Übertragungsmechanismen dieser Menschheitsgeißel von einem zum anderen Individuum zu erfassen und die Betroffenen zu isolieren. Aber bis eine derartige Forschung erfolgreich durchgeführt werden kann, liegt es im allerhöchsten Interesse jedes Bürgers der Kolonie — einschließlich der bedauernswerten Leute, die von dieser Krankheit befallen sind —, die Träger in Quarantäne zu verbringen, damit sich keine weiteren Zufallsansteckungen ergeben.«
Nicole und die ihren saßen alle auf der Galerie. Richard hatten sie regelrecht zum Mitkommen erpressen müssen, denn er verabscheute politische Versammlungen. Macmillans Rede widerte ihn an. Was Nicole betraf, so bekam sie Angst. Was der Mann sagte, war nicht ohne Wirkung. Möchte wissen, wer ihm seine Texte schreibt, dachte sie, als er zum Ende seiner Rede kam, und sie machte sich Vorwürfe, dass sie Nakamura unterschätzt hatte.
Kurz bevor Macmillan das Rednerpult verließ, verschwand, Ellie Wakefield unauffällig von ihrem Platz auf der Galerie. Erstaunt sahen ihre Eltern sie kurz darauf drunten durch die Senatorenbänke auf das Rednerpult zustreben. Das Gleiche galt auch für die anderen Galeriebesucher, die angenommen hatten, Ian Macmillan sei der letzte Redner des Tages. Alle schickten sich schon zum Aufbruch an, doch die meisten setzten sich wieder, als Kenji Watanabe Ellie als nächste Rednerin ankündigte.
»Wir haben im Bürgerkundekursus an der Highschool«, begann sie mit hörbar nervöser Stimme, »auch die Verfassung unserer Kolonie und die Senatssatzungen studiert. Es ist eine wenig bekannte Tatsache, dass bei derartigen Offenen Hearings des Hauses jeder Bürger das Recht zu freier Rede hat .. .
Ellie holte tief Luft. Auf der Galerie beugten sich ihre Mutter und Eponine, ihre Lieblingslehrerin, gleichzeitig vor und klammerten sich an das Geländer. »Und ich will heute hier sprechen«, fuhr Ellie mit kräftigerer Stimme fort, »weil ich glaube, ich habe einen einzigartigen Standpunkt in dieser Streitfrage über die RV-41-Kranken vorzutragen. Erstens, ich bin jung. Zweitens war mir bis vor etwas mehr als drei Jahren nie das Privileg zuteil geworden, mit anderen menschlichen Wesen außer meiner Familie in Kontakt zu treten.
Aus diesen beiden Gründen ist mir das menschliche Leben unendlich wertvoll und ein kostbarer Schatz. Ich habe
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