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Die nächste Begegnung

Die nächste Begegnung

Titel: Die nächste Begegnung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur C. Clarke
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produzierten absichtlich immer tödlichere Bakterien und Viren, um an ihnen zu demonstrieren, dass ihre jeweils entwickelten Impfstoffe ein sehr breites und erfolgreiches Anwendungsspektrum aufwiesen. Selbstverständlich wurden alle diese Arbeiten unter allerstriktester Kontrolle durchgeführt und jede Gefahr für die Bevölkerung ausgeschlossen.
    Als aber dann das Große Chaos ausbrach, wurden die Forschungsmittel drastisch gekürzt, und zahlreiche medizinische Laboratorien mussten die Arbeit einstellen. Die gefährlichen Pathogene, die in abgelegenen Orten über den ganzen Globus verteilt ausgelagert waren, wurden angeblich alle entsorgt und vernichtet. Es sei denn ... — und hier bin ich in meiner Erklärung auf Spekulation angewiesen ...
    Das Retrovirus, unter dem wir hier in New Eden leiden, ist nämlich dem Retrovirus AQT-19 verblüffend ähnlich, das im Jahre 2107 in den Laboratoires Laffont im Senegal hergestellt wurde. Ich gebe zu, es ist möglich, dass ein natürlich auftauchendes Agens ein ähnliches Genom wie das AQT-19 haben kann, und dann wäre meine Spekulation möglicherweise irrig. Aber ich bin überzeugt, dass leider nicht das ganze in diesem senegalesischen Labor hergestellte Material vernichtet wurde. Ich bin im Gegenteil überzeugt, dass dieses spezielle Retrovirus irgendwie überlebt und sich während des letzten Jahrhunderts geringfügig verändert hat, also mutierte — möglicherweise, indem es Affen als Wirtsorganismen benutzte —, und dann seinen Weg zum Menschen fand. Und in diesem Fall wären wir letztlich die Erschaffer des Übels, das uns umbringt. «
    Auf der Galerie breitete sich Tumult aus. Und wieder musste Gouverneur Watanabe durch heftiges Klopfen das Publikum zur Ruhe mahnen. Insgeheim wünschte er, Dr. Turner hätte seine Mutmaßungen für sich behalten. Doch hier setzte der Klinikleiter endlich zur Vorstellung aller Projekte an, für die im künftigen Jahr Budgetmittel nötig werden würden. Dr. Turner verlangte praktisch das Doppelte der letztjährigen Subventionierung. Von den Senatorensitzen her war ein Stöhnen zu vernehmen.
    Die weiteren Redner, denen nach Dr. Turner das Wort erteilt wurde, waren im Grunde nichts weiter als dekorative Staffage. Jedermann wusste, dass die einzige andere wichtige Rede des Tages von Ian Macmillan gehalten werden würde, dem nominierten Kandidaten der Opposition für die Gouverneurswahl in drei Monaten. Es war bekannt, dass sowohl der amtierende Gouverneur, Kenji Watanabe, wie auch der von seiner Partei favorisierte Nachfolgekandidat, Dmitri Ulanov, für eine beträchtliche Erhöhung des Gesundheitsbudgets waren, selbst wenn für dessen Finanzierung eine Steuererhöhung nötig werden würde. Macmillan dagegen galt als strikter Gegner einer Aufstockung der Subventionen für Dr. Turner.
    Bei den ersten allgemeinen freien Wahlen in der Kolonie war Ian Macmillan mit Abstand von Kenji Watanabe geschlagen worden. Danach verlegte Mr Macmillan seinen Wohnsitz aus Beauvois nach Hakone, wurde vom Distrikt Vegas in den Senat gewählt und nahm in Toshio Nakamuras expandierendem Geschäftsimperium einen lukrativen Posten an. Sie waren das perfekte Gespann. Nakamura hatte eine >akzeptable< Galionsfigur nötig, jemand, der die Kolonie in seinem Sinn und für ihn regierte, und Macmillan, der ein ehrgeiziger Mann ohne festgefügte Wertbegriffe oder Prinzipien war, wollte gern Gouverneur werden.
    »Es wäre zu leicht«, begann Macmillan seine Rede abzulesen, »wenn wir Dr. Turner zuhören und dann unsere Herzen und Geldbörsen weit öffnen, um ihm alle seine Subventionsforderungen zu gewähren. Da liegt nämlich der Fehler bei diesen ganzen Haushaltsdebatten. Der Chef jeder Abteilung findet starke Argumente für seine Anliegen, aber wenn wir jedes Paket einzeln betrachten, verlieren wir leicht das Gesamtbild aus dem Auge. Ich will hier gar nicht unterstellen, dass Dr. Turners Programm nicht in allem höchst ehrenhaft und förderungswürdig sei. Dennoch aber halte ich es für angebracht, dass zum jetzigen Zeitpunkt wirklich über vordringlichere Dinge geredet wird.«
    Macmillans Redestil hatte sich seit dem Umzug nach Hakone bemerkenswert gebessert. Offenkundig hatte man ihn sorgfältig vorbereitet. Allerdings war er kein Rednertalent, und so wirkten denn die einstudierten Gesten zuweilen regelrecht lächerlich. Kernpunkt seiner Ausführungen war, dass die RV-41-Träger weniger als fünf Prozent der Bevölkerung New Edens ausmachten und dass die Aufwendungen

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