Die nächste Begegnung
herzhaften Lachen. »Komm doch rein, dann reden wir darüber, ja?«
Patrick wurde rot. »Nein, Ma'am, es ... es ist nicht so ein Problem ... Es ist nur, ich kann meine Schwester Katie nicht finden, und ich hab mir gedacht, vielleicht kannst du mir helfen.«
Samantha hatte sich schon halb umgewandt, um ihn in ihre Wohnung zu führen. Sie drehte sich wieder um und schaute den jungen Mann verblüfft an. »Deswegen kommst du zu mir?« Sie schüttelte den Kopf und lachte wieder. »Was für eine Enttäuschung! Und ich hatte schon geglaubt, du bist hier, um hier ein bisschen herumzuspielen. Dann könnte ich endlich allen ein für alle Mal genau sagen, ob du echt einer von den Aliens bist oder nicht.«
Patrick drückte sich weiter verlegen an der Tür herum. Nach einer Weile zuckte Samantha die Achseln. »Also, ich glaub, Katie treibt sich die meiste Zeit im Palace herum«, sagte sie dann. »Geh ins Casino und frag dort nach Sher ry . Die wird wissen, wo deine Schwester steckt.«
»Aber ja, ja doch, Mr Kobayashi, ich verstehe dich durchaus. Wakarimasu«, sagte Nicole zu dem japanischen Gentleman in ihrem Büro. »Und ich empfinde durchaus mit, wie du dich fühlen musst. Du kannst sicher sein, dass die Gerechtigkeit ihren Lauf nimmt.«
Sie geleitete den Mann zu seiner Frau ins Vorzimmer zurück. Deren Augen waren noch tränengeschwollen. Mariko, die sechzehnjährige Tochter der beiden, war noch im New Eden Hospital, wo umfassende ärztliche Untersuchungen an ihr vorgenommen wurden. Sie war schlimm zugerichtet, doch ihr Zustand war nicht kritisch.
Nach der Einvernahme der Kobayashis telefonierte Nicole mit Dr. Turner. »Im Vaginalbereich des Mädchens wurde frischer Samen festgestellt«, sagte der Arzt, »und sie weist auf nahezu jedem Quadratzentimeter Haut Quetschungen und Abschürfungen auf. Außerdem leidet sie unter einem ganz schweren emotionalen Schock — also, eine Vergewaltigung ist durchaus denkbar.«
Nicole seufzte. Mariko Kobayashi hatte angegeben, dass Pedro Martinez, der Junge, der neben Ellie die Hauptrolle in der Schulaufführung spielte, sie vergewaltigt habe. War das möglich? Nicole rollte mit ihrem Sessel zu ihrem Computer und rief die Personaldaten aus dem Kolonie-Archiv ab.
***MARTINEZ, PEDRO ESCOBAR — Geb. 26-05-2228, Managua/Nicaragua — Mutter ledig, Maria Escobar, Dienstmädchen (private Haushalte), häufig arbeitslos ... Vater vielleicht Ramon Martinez, schwarzer Hafenarbeiter aus Haiti ... Sechs jüngere Halbgeschwister ... Schuldspruch wegen Kokomo-Dealing 2241, 2242... und Vergewaltigung, 2243 ... Acht Monate Jugendstrafanstalt/Managua ... Musterhäftling ... Überstellung ins Covenant House in Mexico City, 2244... IE 1.86, SC 52***
Nicole las die knappe Computerangabe zweimal durch, bevor sie Pedro vorführen ließ. Sie bat ihn, sich zu setzen, und er tat es und schaute danach starr zu Boden. In einer Ecke stand ein Lincoln-Biot und zeichnete die Einvernahme auf.
»Pedro«, sagte Nicole leise. Es kam keine Reaktion. Der junge Mann hob nicht einmal den Blick. »Pedro Martinez«, sagte sie etwas lauter, »ist dir bewusst, dass du beschuldigt wirst, Mariko Kobayashi heute Nacht vergewaltigt zu haben? — Sicher muss ich dir nicht erklären, dass dies eine äußerst schwerwiegende Anschuldigung ist ... Du hast hier und jetzt die Möglichkeit, dich dazu zu äußern.«
Doch Pedro schwieg noch immer. »Wir haben hier in New Eden«, sprach Nicole schließlich weiter, »ein Rechtssystem, das sich in einigem von deinen Erfahrungen in Nicaragua unterscheidet. Hier kann in einem Kriminalfall erst Anklage erhoben werden, wenn ein Richter — nach Prüfung der vorliegenden Fakten — zu der Überzeugung gelangt, dass ausreichende Gründe für eine Anklage vorliegen. Aus diesem Grund spreche ich mit dir.«
Nach langem Schweigen murmelte der Junge, ohne den Kopf zu heben, kaum hörbar etwas.
»Wie war das?«, fragte Nicole.
»Sie lügt«, sagte Pedro, diesmal viel lauter. »Ich weiß zwar nicht, warum, aber Mariko lügt.«
»Vielleicht erzählst du mir mal deine Version von dem, was geschehen ist?«
»Was würde das schon für einen Unterschied machen? Mir glaubt doch sowieso keiner.«
»Pedro, nun hör mir mal gut zu! — Wenn nach den anfänglichen Ermittlungen mein Amt zu dem Schluss gelangt, dass keine ausreichenden Gründe für eine strafrechtliche Verfolgung des Falles bestehen, dann kann die Anzeige gegen dich einfach abgewiesen werden ... Allerdings ist angesichts der schwerwiegenden
Weitere Kostenlose Bücher