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Die nächste Begegnung

Die nächste Begegnung

Titel: Die nächste Begegnung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur C. Clarke
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Menschen, sich besonders anzustrengen und ihre Zeit für anderes als Gebet und Kontemplation zu verwenden.«
    Ich gestehe, Michaels Zuversicht geht mir gelegentlich auf die Nerven. Für unsere derzeitigen Lebensumstände — scheint mir jedenfalls — ist das Leben des Jesus-Sohn-der-Maria von ebenso großer Relevanz wie das Leben des Hunnenkönigs Attila oder irgendeines andren Menschen, der jemals auf diesem von uns zwei Lichtjahre entfernten Planeten Erde gelebt hat. Wir gehören nicht mehr zur >Menschheit<. Wir sind entweder dem Untergang geweiht oder wir sind der Anfang von etwas, das eine grundsätzlich und wesentliche neue Spezies sein wird. Ist also Jesus auch für unsere Sünden am Kreuz krepiert? Für uns, die wir die alte Erde niemals wiedersehen werden?
    Wäre Michael nicht katholisch gewesen und demzufolge sozusagen >von Geburt an< auf Fortpflanzung programmiert, es wäre mir nie gelungen, ihn zur Zeugung eines Kindes zu verführen. Er brachte hundert Gründe dagegen vor. Doch schließlich — wohl weil meine hartnäckigen Überredungsversuche ihn bei seinen nächtlichen Andachtsübungen störten — willigte er ein. Er warnte mich, die Sache >könnte nie gutgehen<, und er lehnte >alle Verantwortung ab< für meine eventuelle Enttäuschung.
    Wir brauchten drei Monate für den Embryo. Bei meinen ersten beiden Ovulationszyklen gelang es mir nicht, ihn bis zur Introduktionssteife zu stimulieren. Ich versuchte es mit Lachen, mit Körpermassage, mit Musik, mit Nahrung — kurz, mit allen Ratschlägen, die ich in Artikeln über männliche Impotenz ausfindig machen konnte. Aber seine Schuldgefühle und Verklemmtheit waren stets stärker als meine zielstrebige Glut. Am Ende brachte dann Imagination die Lösung. Als ich nämlich eines Nachts Michael vorschlug, er solle sich doch bei dem ganzen Vorgang einfach vorstellen, ich sei Kathleen, seine Frau, konnte er schließlich seine Erektion bewahren. Das Bewusstsein ist doch wirklich eine wundersame Erfindung der Natur.
    Aber selbst unter Zuhilfenahme der Phantasie — es war nicht einfach, mit Michael zu >schlafen<. Zunächst einmal — und das ist wahrscheinlich lieblos, wenn ich das sage — könnten schon seine >Vorbereitungen< ausreichen, um jeder normalen Frau die Stimmung zu kappen. Kurz bevor er sich — seiner Kleider entledigt, richtet er nämlich stets ein Gebet an GOTT. Und worum betet er? Es wäre faszinierend, die Antwort darauf zu finden!
    Louis VII. von Frankreich, Eleanors erster Gemahl, war zum Mönch erzogen worden und wurde nur durch einen unvorhergesehenen Zwischenfall der Geschichte zum König. In dem Roman meines Vaters über die Königin gibt es eine Passage mit einem langen inneren Monolog von Eleanor, in dem sie sich unter anderem beklagt, dass sie lieben soll, >umgeben von feierlichem frommen Ernst und dem grobschlächtigen Stoff der Zisterzienser<. Sie sehnte sich nach Fröhlichkeit und Lachen im Schlafzimmer, nach schlüpfrigen Worten und ausgelassener, ungezügelter Leidenschaft. Ich verstehe durchaus, warum sie sich von Louis scheiden ließ und den Henry Plantagenet heiratete.
    Und so bin ich also endlich schwanger, mit einem Jungen (hoffe ich), der in meine Nachkommenschaft die genetische Variation einbringen wird. Es war eine Heidenarbeit — und höchstwahrscheinlich hat es sich nicht gelohnt. Wegen meiner Sucht, von Michael einen Sohn zu bekommen, hat Richard uns verlassen, und Michael ist (jedenfalls derzeit) nicht mehr der enge Vertraute und Freund, wie er es während unsrer ersten Rama Jahre war. Für meinen Erfolg habe ich bezahlt. Und jetzt muss ich einfach darauf hoffen, dass unser Raumschiff wirklich ein bestimmtes Ziel hat.
    01-03-2206
    Habe den partiellen Genom-Test heute früh wiederholt, um die Erstergebnisse gegenzuchecken. Es kann keinen Zweifel mehr geben, unser noch ungeborener Junge weist eindeutig das Whittingham-Syndrom auf. Glücklicherweise finden sich keine weiteren feststellbaren Erbdefekte, aber es ist auch so schlimm genug.
    Ich legte Michael das Material vor, als wir nach dem Frühstück ein wenig Zeitfür uns hatten, aber er begriff zunächst überhaupt nicht, was ich ihm zu sagen versuchte. Aber als ich das Wort >retardiert< gebrauchte, reagierte er sofort. Ich erkannte, dass er sich seinen Sohn als ein Kind vorstellte, das völlig außerstande sein würde, sich selbst und ohne Fremdhilfe im Leben zurechtzufinden. Seine Besorgnisse waren nur wenig besänftigt, als ich ihm erklärte, dass das

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