Die Nächste, bitte • Ein Arzt-Roman
Dann kommen wir endlich mal hier raus.» Sie schiebt mich aus der Cafeteria. «Paul, ich sage dir: Ich habe schon Urlaubsprospekte geholt. Südafrika scheint mir ein Traum zu sein
…
»
Ich weiß jetzt, welches Versprechen mir Vater abringen wollte:
Versprich mir, dass du dich während unserer Reisen um Bruno kümmerst …
Auf dem Nachhauseweg kann ich noch immer nicht glauben, was sich gerade im Krankenhaus ereignet hat. Diese Praxisübernahme ist eine Perspektive, mit der ich nicht gerechnet habe, und mal ganz ehrlich: So richtig gefragt, ob ich eigentlich Lust habe, den Laden zu übernehmen, hat mich bislang auch keiner. Frechheit. Immerhin bedeutet eine Praxisübernahme, dass ich in Hamburg bleiben würde und außerdem eine Menge Arbeit mit dem Praxisumbau auf mich zukäme. Ich müsste beispielsweise einen Kredit beantragen, vielleicht sogar einen Architekten zu Rate ziehen und die Praxis vermutlich übergangsweise schließen. Ein Rattenschwanz an Problemen, die zu lösen eine Menge Zeit und Kraft erforderte.
Will ich das überhaupt? Darüber sollte ich mir schleunigst klarwerden, zweimal würde mein Vater ein solches Theater vermutlich nicht veranstalten.
Der kurze Spazierweg reicht zwar nicht, um mir ein ausführliches Für und Wider durch den Kopf gehen zu lassen. Aber die frische Luft verhilft mir zumindest schon mal zu einer anderen Erkenntnis: Nella war nicht die Verräterin. Mein Vater war es. Sie trifft keine Schuld.
Je länger ich darüber nachdenke, umso verrückter scheint es mir, diese Möglichkeit überhaupt in Erwägung gezogen zu haben. Nella hat sich ja auch nur meinetwegen zu diesem Schauspiel bei den Schümlis hinreißen lassen. Und zum Dank dafür hat sie etwas erfahren, das sie vermutlich sehr verletzt hat. Auch wenn ich nach wie vor nicht finde, dass ich mir in Bezug auf meine Affäre mit Birte etwas vorzuwerfen habe. Gut, das Gespräch mit Bernd Morgenroth am Frühstückstisch lief vielleicht nicht so glücklich, aber ich wollte nun mal um jeden Preis diesen Job.
Keine Ahnung, was aus Nella und mir geworden wäre, wenn wir uns unter anderen Umständen getroffen hätten. Ich meine, was hatte meine Mutter vorhin gesagt? Wir Männer merken oft erst, dass wir die richtige Frau getroffen haben, wenn es zu spät ist? Vielleicht hat sie recht. Vielleicht bin ich in der Tat gerade mal in der Lage zu erkennen, dass es mit Nella eigentlich ganz gut lief. Aber ob das für eine Beziehung ausreicht? Keine Ahnung. Möglicherweise ist es tatsächlich zu spät, wenn ich mir darüber klargeworden bin. Und selbst wenn ich mir sicher wäre, könnte ich wohl davon ausgehen, dass Nella mich abblitzen ließe.
Gedankenversunken biege ich von meinem Nachhauseweg ab und komme durch eine kleine Seitenstraße der Langen Reihe. Hm. Hier irgendwo müsste doch Nellas Secondhandcafé sein, so hatte sie es mir jedenfalls beschrieben.
Bedauerlicherweise habe ich das überteuerte Kleid nicht dabei. Es liegt in einer Tüte bei mir im Kleiderschrank und wartet auf seine weitere Bestimmung – und welche das ist, wird mir schlagartig klar.
Jetzt, wo Nella sich als ehrlich und anständig entpuppt hat, soll sie das Kleid wiederhaben. Sie hat es sich verdient. Außerdem hat es ihr hervorragend gestanden. Hatte ich ihr das eigentlich gesagt?
Tatsächlich laufe ich wenig später an dem gut erleuchteten Café vorbei. Nella ist nicht zu sehen. Nur eine Frau, die ein bisschen eigenartig gekleidet ist. Vermutlich die Freundin mit den Teebeutelweisheiten.
Ich werfe einen neugierigen Blick in den Laden. Er ist hübsch eingerichtet, mit einem Kronleuchter an der Decke und eleganten Kleiderständern, auf denen sorgfältig aufgereiht die Garderobe hängt.
Das ist also Nellas Welt. Eine hübsche, sehr weibliche Welt. Eine Welt, die zu ihr passt und die mich fast ein bisschen reizt. Eine Welt, die ich vermutlich aber nie näher kennenlernen werde.
Mittlerweile dämmert es, und ich spaziere etwas zielstrebiger nach Hause. Als ich die Stufen zu meiner Wohnung hochsteige, beschließe ich, es mir heute Abend noch gemütlich zu machen mit einem Feierabendbier und –
Huch!
Beim Betreten der Wohnung bin ich dermaßen in Gedanken vertieft, dass mir zunächst gar nicht auffällt, dass die Tür nicht abgeschlossen und im Flur Licht ist. Erst als ich mein Wohnzimmer in Kerzenschein getaucht vorfinde, bin ich für einen Moment verwirrt.
Vorsichtig trete ich ein – und traue meinen Augen nicht. Auf dem Sofa liegt, nur mit
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