Die Nächste, bitte • Ein Arzt-Roman
sei – ich zitiere – nicht so doll gewesen.» Stocksauer entriss ich Paul meine Hand.
Anstatt zu protestieren und endlich eine überzeugende Gegendarstellung aufzufahren, grinste er mich vielsagend an, was mich nur noch wütender werden ließ.
«Ach Nella, ich meinte doch eigentlich nur, dass du an unserer gemeinsamen Nacht die Schuld trägst, weil du so sexy aussahst. In deinem neuen Kleid. Und später auch ohne das Kleid.»
Pauls Grinsen wurde einen Tick breiter, und mir schoss das Blut in den Kopf. Warum wurde ich in solchen Momenten immer rot? Warum konnte ich nicht einfach mit farblich neutraler Gesichtsfarbe einen coolen Spruch bringen? So etwas wie:
Ach,
du
warst derjenige, mit dem ich geschlafen habe! Ich habe mich schon gefragt, von wem das Kind wohl sein wird. (Bin natürlich nicht schwanger, aber das weiß er ja nicht.)
Die Schuldfrage kann gern gleich der Richter klären. Wenn er mit Herrn Kachelmann fertig ist.
Jetzt komm mal zur Sache, ich muss zum Yoga.
Stattdessen sagte ich nur: «Ach so.»
Paul grinste jetzt bis zu den Ohren. «Ich habe außerdem nie behauptet, dass diese Nacht – ich zitiere – nicht so doll gewesen sei. Wer das behauptet, lügt.» Er wird jetzt ernst. «Ehrlich gesagt, hatte ich gehofft, dieses Gespräch würde einvernehmlicher und vor allem zügiger verlaufen. Ich habe nämlich noch etwas vor.»
Ich fasste es nicht.
«Aber da wir uns hier nun schon einmal getroffen haben», fuhr er fort, «wollte ich dir zumindest schon mal etwas mitteilen.» Er verstummte.
Hatte ich richtig gehört? Er wollte mir nur kurz etwas sagen, anschließend hatte er noch etwas Besseres vor? Was konnte das denn bitte schön sein, doch zu IKEA mit Birte?
Paul räusperte sich. «Schümli hat unser
…
also, mein Spiel durchschaut. Ich habe die Stelle in der Schweiz nicht bekommen und werde stattdessen hier in Hamburg die Praxis meines Vaters übernehmen.»
Ich riss die Augen auf. «Wirklich?», sagte ich und dachte gleichzeitig: Alles klar, er wird definitiv im Anschluss zu IKEA fahren.
«Birte Morgenroth wird außerdem nicht länger meine Arzthelferin oder sonst irgendetwas für mich sein, und falls es dich interessiert: Du hast am Sonntagmorgen danebengetreten.»
Schon wieder bekam ich einen roten Kopf.
«Noch Fragen?», wollte Paul plötzlich unwirsch wissen, «sonst würde ich jetzt nämlich gern los.»
Und ob ich eine Frage hatte! Mir lagen noch tausend Fragen auf der Zunge und nochmal tausend auf der Seele.
Aber die zu stellen hätte bedeutet, dass ich ihm meine Gefühle offenbaren musste, und dazu war ich viel zu stolz. Und in der Stimmung für ein munteres Gespräch war ich aufgrund seines angekündigten Aufbruchs weiß Gott nicht mehr. Ansonsten hätte ich aber zu gern gewusst, welchen Sinn und Zweck sein Auftritt hier gehabt haben sollte. Immerhin hatte er dafür extra vorher die Kaffeemaschine ins Auto gebracht.
«Gut», sagte Paul in meine Überlegungen hinein und griff auch schon nach seiner Jacke. Geschäftig zog er sie an und stand auf, um zu gehen. Dann blieb er jedoch vor der Tüte stehen, die neben ihm auf dem Stuhl lag. Anstatt nun mit seinen Einkäufen das Weite zu suchen, schob er seine Hand hinein und holte vorsichtig ein kleines, zusammengelegtes Stück Stoff heraus. Das Kleid.
Also:
mein
Kleid!
Das Kleid, das ich in Genf bei Gaultier gekauft hatte. Es sah frisch gereinigt und gebügelt aus, so viel konnte ich auf Anhieb erkennen.
Paul drehte sich zur Seite, so dass er im vollen Café etwas Platz hatte, faltete das Kleid auseinander und streckte seine Hand nach mir aus. Dann legte er das Kleid über meinen Arm und fragte, ohne mich dabei loszulassen: «Hast du vielleicht Lust auf einen wunderschönen Tag in einem wunderschönen Kleid? Dazu noch ein leckeres Glas Latte macchiato?» Seine Nutella-Augen fixierten mich. «Die Maschine dafür habe ich gerade gekauft.»
Sooo süß!
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Beipackzettel
Lesen Sie diese Beilage sorgfältig durch. Sie enthält wichtige Informationen zum Gebrauch des Romans. Dieses Buch ist ohne Verschreibung erhältlich. Um einen bestmöglichen Unterhaltungserfolg zu erzielen, sollte «Die Nächste, bitte» wohldosiert und vorschriftsmäßig angewandt werden.
Darreichungsform
:
Der Roman hat 344 Seiten. Das entspricht einem mutmaßlichen Lesevergnügen von ca. 300 Gramm.
Wichtige Informationen zum Inhalt:
Die Schweiz ist wunderbar. Nicht nur wegen der leckeren Schokolade, dem würzigen Käse und
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