Die Nächste, bitte • Ein Arzt-Roman
gleich doppelt so viel Spaß.» Mein Nebenbuhler dreht sich zur riesigen Fensterfront und, als sei er der Papst höchstpersönlich, fährt beide Arme aus und preist das Panorama.
Mein
Panorama.
Ehrlich gesagt verstehe ich Professor Schümli nicht. Ich meine, jemanden mit der Visage von Dr. Hartmann kann er doch nicht ernsthaft als Partner in Erwägung ziehen. Noch dazu in einer Schönheitsklinik. Was macht denn das für einen Eindruck? Von dem Kerl mag sich doch kein Mensch eine Spritze geben lassen, schon gar nicht ins Gesicht. So etwas ist doch nicht nur Vertrauenssache, sondern auch eine Frage der Ästhetik. Ich kenne jedenfalls niemanden, der sich von einem Klugscheißer mit Mittelscheitel und Yves-Saint-Laurent-Brille das Gesicht modellieren lassen möchte.
«Ja, da haben Sie recccht», pflichtet Schümli dem Streber bei und lässt das Ch besonders laut krachen, «die Aussicccht von hier oben ist wirkliccch beeindruckend. Deshalb habe iccch mir – für die zwei Tage, die iccch in der Woccche anwesend sein werde – ein Büro in der oberen Etage ausgesucccht. So viel Chef muss sein.» Er lacht.
Dr. Hartmann verzieht keine Miene. Ich kann ihm aber ziemlich gut ansehen, dass ihm die Vorstellung, jemand könnte über ihm logieren, nicht besonders in den Kram passt. «Na, vielleicht ist es ja möglich, sich hier noch hochzuarbeiten», plustert er sich auf und grinst schief, doch der ernste Unterton in seiner Stimme ist kaum zu überhören.
Ich könnte kotzen. Der Kerl glaubt doch wohl nicht allen Ernstes, dass ich ihm kampflos
beide
Etagen überlasse? Für wen hält der mich, für einen lethargischen Glaubensbruder?
Schümli nimmt es dagegen sportlich. «Sie können es ja zumindest mal versuccchen. Es ist bekanntliccch immer gut, wenn man ein Ziel vor Augen hat.»
«Was erwartet uns denn heute Nachmittag?», erkundige ich mich dienstbeflissen und gebe dem verhassten Nebenbuhler damit hoffentlich klar zu verstehen, dass er sich auf einen zähen Kampf gefasst machen kann. «Haben wir ein paar Damen zum Verschönern im Terminkalender?»
Schümli nickt, sein Tonfall klingt unerwartet spöttisch. «Sie können von den Damen wohl nicccht genug bekommen, was?«
Autsch.
Vor dem gemeinsamen Mittagessen schaffe ich es leider nicht, bei Birte anzurufen, um mich in ihrer Gunst wieder nach oben zu arbeiten. Anschließend fährt uns Raoul nach Cologny. Und auch dort bleibt keine Zeit für Privatangelegenheiten. Zwei der Patienten, die der Professor angekündigt hat, sitzen bereits im Wartezimmer. Die anderen werden in halbstündlichem Abstand erwartet.
Bevor der Klugscheißer und ich jeder einen Behandlungsraum nebst Patienten zugewiesen bekommen, führt Professor Schümli uns in sein Arbeitszimmer, um die erforderlichen Unterlagen zusammenzusuchen. Ich bin heilfroh, dass hier fast jeder Patient mit ausgerissenen Zeitschriftenvorlagen erscheint, die in herkömmlichen Karteikarten gesammelt werden. So bleibt es mir erspart, mich durch kryptische Computeraufzeichnungen zu quälen.
Während der Professor die Papiere zusammensucht, nutzt mein Nebenbuhler die Zeit, um mir mit seinem Lieblingsthema noch etwas auf die Nerven zu gehen.
«Haben Sie schon etwas von Ihrer Frau gehört, Dr. Rosen? Jetzt müsste ihre Maschine eigentlich in Spanien gelandet sein, oder?» Er tippt mit dem Zeigefinger gegen das Glas seiner Patek Philippe. «Wollen Sie sich denn nicht erkundigen, wie der Flug verlaufen ist?»
Ich brauche eine Weile, um Spanien mit Nella, Nella mit meiner Frau und das Ganze dann auch noch mit mir in Verbindung zu bringen. Dann aber gebe ich den Profi: «Doktor Hartmann, seien Sie unbesorgt. Fliegen ist die sicherste Art zu reisen, und meine Frau ist erwachsen. Es dürfte reichen, wenn wir uns am Abend über den Flug austauschen. Und bis dahin
…
»
Bis dahin halten Sie gefälligst Ihre vorlaute Klappe
, füge ich in Gedanken hinzu.
«… und bis dahin werde ich mich voll und ganz auf meine Arbeit konzentrieren.»
Meine Hoffnung, Professor Schümli hätte endlich alle Unterlagen gefunden und würde unserem Gespräch ein natürliches Ende bereiten, indem er uns in die Behandlungsräume bringt, erstirbt, als Schümli mit gekräuselter Stirn eine weitere Schublade aufzieht und nervös darin herumkramt.
Bitte, lass ihn finden, wonach er sucht, ehe der Idiot neben mir wieder von Berchtesgaden anfängt
, denke ich und falte instinktiv die Hände. Doch alles Beten ist umsonst. Dr. Hartmann bläst zum
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