Die Nächte des Wolfs 02 - Zwischen Mond und Verderben
Augen lesen konnte. » Ich weiß, was auch du weißt. Es ist noch nicht vorbei mit uns beiden. Ich habe Verständnis, wenn man einer Versuchung erliegt « , vertraute sie ihm an. » Und falls ich nicht jemand anderen gefunden habe, wenn dir Jessica langweilig geworden ist – im Ernst, wie lange kann das schon dauern? – dann nehme ich dich vielleicht wieder. Wenn du Glück hast. «
Max und Pietr spannten die Muskeln, als sich Derek hinter Sarah schob und ihr die Hände auf die Schultern legte.
» Komm « , flüsterte er und blickte mich an, als er ihre Hand nahm.
Sein Tonfall ließ mich erbeben.
Zusammen stolzierten sie davon und Sarah wiegte sich für Pietr extra ein bisschen mehr in den Hüften.
Pietr schlang die Arme wie einen Schild um mich und hielt mich so fest, dass mir klar war, dass er seine Selbstbeherrschung auf die Probe stellte. Ich schlüpfte aus seinem Griff. Wie verwegen von ihm, das zu wagen, nur damit ich bekam, was ich wollte.
» Voll Psycho « , meinte Amy und stieß einen langen Pfiff aus.
» Die ist richtig krass psycho « , bestätigte Max und summte die alte Melodie.
» Okay. « Ich drückte Pietr kurz die Hand. » Das hätte auch besser laufen können. Ich meine, wollten wir nicht genau das verhindern? «
» Iswinite. Entschuldige, Jess. Wir haben uns gestern Abend getrennt. «
» Oh ja, am Telefon « , tadelte ich ihn.
Amy knuffte ihn in seinen Arm. » Das ist stellvertretend für alle Frauen « , fügte sie an. » Ob sie psycho sind oder normal. «
Sophia verzog den Mund zu einem schiefen Lächeln. » Ich weiß nicht, warum du immer wieder in solche Schwierigkeiten gerätst, Jessie « , meinte sie mit ihrer leisen Stimme, » aber mit dir ist es wenigstens unterhaltsam. «
» Wie nett! « Ich fuhr mir mit den Fingern durchs Haar. » Vielleicht sollten wir’s mal für eine Weile locker angehen lassen. «
» Wie meinst du das? «
» Kein Rumgeknutsche. Händchen halten von mir aus, ab und zu. Wir sollten Sarah nicht unter die Nase reiben, dass wir zusammen sind. Nicht in der Öffentlichkeit. Ich möchte es ihr nicht noch schwerer machen, als es ohnehin ist. «
Max knurrte in Pietrs Namen. » Jessie, irgendwann musst du dem Hund aber auch einen Knochen vorwerfen. «
Mein Handy summte und wanderte vibrierend über meinen Nachttisch. Verschlafen tastete ich danach und sah aufs Display. Wanda. Warum ließ sie mich nicht in Frieden? Seit unserem ersten Besuch bei Pietrs Mutter lag sie mir ständig in den Ohren, ich solle mich nicht mit Pietr treffen. Die Botschaft verbarg sie dabei hinter vermeintlicher Sorge um mich – meine Gesundheit, mein Herz … Aber ich wusste dass es noch einen anderen Grund dafür gab, dass sie Hintergedanken hatte.
Ihre Einmischung verhagelte ihr außerdem die Beziehung zu meinem Vater, der sich schließlich dazu durchgerungen hatte, die Dinge nach meinen Vorstellungen anzupacken. Er hatte sich Pietrs Noten zeigen lassen und glücklicherweise hatte sich herausgestellt, dass er durchaus würdig war, mir Nachhilfe zu geben. Nun half mir Pietr also mit der Schule und ich half ihm mit dem Leben. Damit, sich selbst zu akzeptieren.
Tagelang genossen wir beide die Ruhe, saßen eng aneinandergekuschelt auf dem kleinen Sofa bei den Rusakovas und lernten. Ich gab mich sogar der trügerischen Hoffnung hin, dass bei meinen Noten noch etwas zu retten wäre. Alexi und Cat machten sich an diesen Tagen rar, Max und Amy dagegen waren überall und nirgends, lachten und flirteten schamlos. Aber trotz allem nagte die Sorge um ihre noch immer gefangene Mutter Tatiana an uns allen.
Die Rusakovas hatten sie noch ein paar Mal besucht, aber die CIA (eine Organisation, der ich immer weniger glaubte, dass sie das war, was sie behauptete) fand immer neue Ausreden, um ihre Freilassung hinauszuzögern. Immer neue Proben forderten sie. Und mehr Zeit.
Ich las Wandas SMS nicht einmal, bevor ich sie löschte, schielte auf die Uhr und rief Max an. Gleich nachdem ich Dad und Annabelle Lee gefüttert und meinen übrigen häuslichen Pflichten nachgekommen war, holte er mich ab.
Bei den Rusakovas nahmen wir uns die dreizehn Tagebücher vor, sobald Amy sich für eine Runde Joggen verabschiedet hatte. Max begleitete sie für den Fall, dass Marvin auf dumme Ideen kam. Amy versprach, ihm zuliebe langsam zu laufen, und da behauptete er, er könne beliebig schnell laufen und wies unverschämterweise auch noch auf seine erstaunliche Ausdauer hin – alles mit seinem unverkennbaren
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