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Die Namen der Toten

Die Namen der Toten

Titel: Die Namen der Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Glenn Cooper
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aufs Bett fallen und zog sie über sich.
    Er küsste ihren warmen Hals. Als er sich gerade unter ihre Bluse vortastete, sagte sie: »Wir werden das bereuen. Es verstößt gegen alle …«
    Er drückte ihr den Mund auf die Lippen, zog sich dann etwas zurück und sagte: »Also, wenn du es wirklich nicht willst, können wir die Uhr ein paar Minuten zurückstellen und das Geschirr fertig machen.«
    Da küsste sie ihn zum ersten Mal von sich aus. »Ich hasse Abspülen«, sagte sie.
     
    Als sie aus dem Schlafzimmer kamen, war es dunkel geworden, und im Wohnzimmer herrschte eine geradezu unheimliche Stille. Nur die Klimaanlage summte, und vom FDR-Drive war leises Verkehrsrauschen zu hören. Er hatte ihr ein sauberes weißes Oberhemd zum Anziehen gegeben, wie er es schon früher bei neuen Frauen getan hatte. Sie mochten anscheinend das Gefühl des gestärkten Stoffs auf der bloßen Haut, aber auch die Symbolhaftigkeit dieses Rituals. Nancy war nicht anders. Sie verschwand förmlich in dem Hemd, das sie züchtig bedeckte. Sie setzte sich aufs Sofa und zog die Knie an die Brust. Die Haut, die zu sehen war, wirkte kühl und marmoriert wie Alabaster.
    »Willst du was trinken?«, fragte er.
    »Ich glaube, ich hatte heute schon genug.«
    »Tut’s dir leid?«
    »Das sollte es zwar, aber es tut mir trotzdem nicht leid.« Ihr Gesicht war immer noch rosig angehaucht. Er fand sie hübscher denn je, aber auch erwachsener, fraulicher. »Ich dachte mir schon, dass es dazu kommen würde«, sagte sie.
    »Seit wann?«
    »Von Anfang an.«
    »Wirklich? Warum?«
    »Weil dein Ruf und meiner eine ganz besondere Kombination ergeben.«
    »Ich wusste gar nicht, dass du auch einen hast.«
    »Ich habe einen ganz anderen Ruf«, sagte sie seufzend. »Braves Mädchen, sichere Wahl, schlägt nie über die Stränge. Ich glaube, insgeheim wollte ich mal über die Stränge schlagen, um zu sehen, wie sich das anfühlt.«
    Er lächelte. »Von der Abrissbirne zum abgetakelten Wrack. Erkennst du die Gemeinsamkeit?«
    »Du bist ein böser Junge, Will Piper. Brave Mädchen mögen böse Jungs, hast du das nicht gewusst?«
    Sein Kopf war wieder klarer, er fühlte sich stocknüchtern. »Wir müssen das geheimhalten, weißt du.«
    »Ich weiß.«
    »Ich meine, es geht um deinen Beruf und meine Pension.«
    »Ich weiß, Will! Ich sollte jetzt gehen.«
    »Das musst du nicht.«
    »Danke, aber ich glaube nicht, dass es dir wirklich gefallen würde, wenn ich hier übernachte.« Bevor er etwas erwidern konnte, tippte sie auf Lauras Drehbuch, das auf dem Kaffeetisch lag. »Wirst du es lesen?«, fragte sie.
    »Ich weiß nicht. Vielleicht.« Dann ließ er folgen: »Wahrscheinlich.«
    »Ich glaube, es wäre ihr wichtig.«
     
    Als er allein war, schenkte er sich einen Scotch ein, setzte sich aufs Sofa und schaltete die Tischlampe ein. Das helle Licht brannte in seinen Augen. Er starrte auf das Manuskript seiner Tochter. Aus der gleißenden Spiegelung der Glühbirne auf dem Cover schien ihn ein finsteres Smiley-Gesicht anzustarren, das ihn dazu herausforderte, endlich das Manuskript in die Hand zu nehmen. Er nahm die Herausforderung an und murmelte: »Verfluchte Abrissbirne.«
    Er hatte noch nie ein Drehbuch gelesen. Die glänzenden Messingklammern erinnerten ihn daran, wann er zum letzten Mal eines gesehen hatte – einen Monat zuvor in Mark Shackletons Haus. Er schlug das Manuskript auf und vertiefte sich in den Text – das Format mit den vielen Angaben für Innen-und Außenaufnahmen verwirrte ihn.
    Nach ein paar Seiten musste er von vorn anfangen, aber dann hatte er den Dreh raus. Die Figur, für die er als Vorbild diente, war offenbar ein gewisser Jack, ein Mann, dessen knappe Beschreibung genau zu ihm passte: ein kräftiger rotblonder Südstaatler über vierzig, mit lockeren Umgangsformen, aber auch einigen Ecken und Kanten.
    Jack ist, wie nicht anders zu erwarten, ein heimlicher Alkoholiker und Frauenheld, der gerade eine neue Beziehung mit Marie angefangen hat, einer Bildhauerin, die genau weiß, dass sie sich nicht mit einem Mann wie Jack einlassen sollte, ihm aber nicht widerstehen kann. Jack, so scheint es, hat schon zahllose Frauen im Stich gelassen, darunter auch, wie Will schmerzlich berührt feststellte, eine Tochter, eine junge Frau namens Vicki. Außerdem wird Jack von Erinnerungen an Amelia heimgesucht, einer psychisch instabilen Frau, die er emotional fertigmachte, bis sie sich mit Wodka und Kohlenmonoxid von ihm befreite. Amelia, eine kaum verschleierte

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