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Die Namen der Toten

Die Namen der Toten

Titel: Die Namen der Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Glenn Cooper
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Zischen der Zwiebeln und der süße Rauch, der die Kochnische erfüllte, gefielen ihm. Er hatte eine ganze Weile keine Küchendüfte mehr gerochen und wusste nicht mehr, wann er zum letzten Mal den Herd benutzt hatte. Wahrscheinlich zu Jennifers Zeiten, aber inzwischen hatte er an alles, was mit dieser Beziehung zusammenhing, nur noch verschwommene Erinnerungen.
    Das Rinderhackfleisch wurde gerade schön braun, als es klingelte. Nancy hatte einen Apfelkuchen und einen Pott mit schmelzendem Joghurteis dabei. Sie wirkte recht leger in ihren Hüftjeans und einer kurzen, ärmellosen Bluse.
    Will war völlig entspannt, und das spürte sie. Seine Gesichtszüge waren weicher als üblich, er machte einen weniger verbissenen Eindruck und ließ die Schultern nicht so hängen. Er grinste sie an.
    »Du wirkst ja richtig glücklich«, sagte sie ein wenig überrascht.
    Er nahm ihr die Tasche ab, beugte sich spontan vor und gab ihr zur beiderseitigen Verblüffung einen Begrüßungskuss auf die Wange.
    Rasch trat er einen Schritt zurück. Nancy errötete leicht und überspielte die Peinlichkeit, indem sie dem würzigen Kumin-und Chilidunst nachschnupperte und einen Witz über seine unbekannten Talente als Koch machte. Während er in der Bratpfanne rührte, setzte sie sich an den Tisch. Dann rief sie: »Hast du etwas für sie?«
    Er zögerte. »Nein«, sagte er schließlich. »Sollte ich das?«
    »Ja!«
    »Und was?«
    »Woher soll ich das wissen? Du bist ihr Vater.«
    Er verstummte leicht missgelaunt.
    »Ich laufe los und besorge ein paar Blumen«, bot sie an.
    »Danke«, sagte er nickend. »Sie mag Blumen.« Das war bloß eine Vermutung – er hatte eine Erinnerung an seine Tochter als Kleinkind vor sich, wie sie ein Büschel frischgepflückter Gänseblümchen in der pummeligen Hand gehalten hatte. »Blumen mag sie bestimmt.«
     
    Die letzten Wochen waren eine einzige Plackerei gewesen. Die Verdachtsmomente gegen Luis Camacho hatten sich nach und nach aufgelöst, sodass sie ihm schließlich nur ein einziges Tötungsdelikt zur Last legen konnten. Sosehr sie sich auch bemühten, sie konnten ihn mit keinem der anderen Doomsday-Morde in Verbindung bringen, nicht einmal annähernd. Mühsam hatten sie seine sämtlichen Wege zurückverfolgt, den Ablauf jedes einzelnen Tages in den letzten drei Monaten rekonstruiert. Luis arbeitete regelmäßig und gewissenhaft, flog zwei-, dreimal wöchentlich nach Las Vegas und wieder zurück. Er war häuslich und verbrachte die Nächte in New York meistens bei seinem Geliebten. Andererseits hatte er auch ein Triebleben wie ein liebestoller Kater, und wenn sein Partner müde oder anderweitig beschäftigt war, zog er immer auf der Suche nach Anschluss durch Clubs und Schwulenbars. John Pepperdine war ein eher lethargischer, monogam ausgerichteter Typ gewesen, während Luis Camachos sexuelle Gier so unvermittelt und heftig auflodern konnte wie selbstentzündliches Magnesium. Es gab nicht die geringsten Zweifel, dass sein aufbrausendes Temperament zum Mord geführt hatte, aber John war offenbar sein einziges Opfer.
    Zudem war die Mordserie abgerissen – gut für jeden, den es nicht erwischt hatte, schlecht für die Ermittler, die nur die gleichen schwachen Hinweise noch einmal durchkauen konnten. Dann aber hatte Will eines Tages folgenden Gedanken: Wäre es möglich, dass John Pepperdine das neunte Opfer des Doomsday-Killers hätte werden sollen, Luis Camacho ihm jedoch mit einer ganz gewöhnlichen Beziehungstat zuvorgekommen war?
    Vielleicht war Luis’ Verbindung nach Las Vegas die klassische Ermittlungssackgasse. Wäre es möglich, dass der Doomsday-Killer an jenem Tag auf City Island feixend auf der anderen Seite des Absperrbands gestanden hatte, weil die Tat von jemand anders begangen worden war? Könnte es sein, dass er danach eine Pause eingelegt hatte, um seine Verfolger in die Irre zu führen, sie schmoren zu lassen, bis sie vollkommen ratlos waren?
    Will besorgte sich per richterliche Vollmacht sämtliches Material der Nachrichtenteams, die an jenem warmen, grauenvollen Tag an der Minnieford Avenue gewesen waren. Dann sahen er und Nancy sich über mehrere Tage hinweg stundenlang Videokassetten und Hunderte von Digitalfotos an und hielten Ausschau nach einem weiteren dunkelhäutigen Mann, mittelgroß und durchschnittlich schwer, der sich möglicherweise am Tatort herumgetrieben hatte. Sie fanden nichts, aber Will hielt seine Hypothese dennoch für brauchbar.
     
    Die heutige Feier war eine

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