Die Namen der Toten
willkommene Abwechslung von alldem. Will kippte eine Packung Uncle-Ben’s-Reis ins brodelnde Wasser und öffnete ein weiteres Bier. Erneut klingelte es an der Tür. Er hoffte, dass es Nancy mit den Blumen war, aber da hatte er sie und Laura gemeinsam vor sich, ausgelassen plaudernd wie die besten Freundinnen. Hinter ihnen stand ein junger Mann, hoch aufgeschossen, schlank, mit intelligentem Blick und dichten braunen Locken.
Will nahm seiner Kollegin den Strauß ab und drückte ihn Laura verlegen in die Hand. »Glückwunsch, Kleines.«
»Das hättest du doch nicht tun müssen«, witzelte Laura.
»Hab ich auch nicht«, sagte er rasch.
»Dad, das ist Greg.«
Die beiden Männer schüttelten sich die Hand.
»Freut mich, Sie kennenzulernen, Sir.«
»Ganz meinerseits. Ich habe Sie zwar nicht erwartet, aber ich freue mich, Sie endlich kennenzulernen, Greg.«
»Er ist zur moralischen Unterstützung mitgekommen«, sagte Laura. »So ist er eben.«
Sie drückte ihrem Vater im Vorbeigehen einen Kuss auf die Wange, stellte ihre Tasche aufs Sofa und öffnete das Seitenfach. Triumphierend wedelte sie mit dem Vertrag der Elevation Press. »Unterschrieben, besiegelt und ausgehändigt!«
»Darf ich dich jetzt als Schriftstellerin bezeichnen?«, fragte Will.
Sie nickte mit Tränen in den Augen. Will wandte sich rasch ab und verzog sich in die Kochnische. »Ich hol den Schampus, bevor ihr alle losheult.«
»Er kann Rührseligkeit nicht ausstehen«, flüsterte Laura Nancy zu.
»Ist mir schon aufgefallen«, sagte Nancy.
Über dampfenden Chili-Tellern prostete Will den anderen mehrfach zu. Er schien sich darüber zu freuen, dass alle Champagner tranken. Er holte eine weitere Flasche und goss ihnen nach. Nancy protestierte kurz, ließ ihn aber weitermachen, bis der Schaum überquoll und auf ihre Finger rann. »Ich trinke so gut wie nie, aber der schmeckt gut«, sagte sie.
»Auf dieser Party trinken alle«, sagte Will entschieden. »Trinken Sie viel, Greg?«
»In Maßen.«
»Ich trinke massenhaft in Maßen«, versetzte Will, was ihm einen scharfen Blick von seiner Tochter eintrug. »Ich dachte, alle Journalisten wären große Säufer.«
»Bei uns gibt’s die unterschiedlichsten Exemplare.«
»Wollen Sie einer von der Sorte werden, die mir bei den Pressenkonferenzen das Leben schwermachen?«
»Ich möchte Reportagen für die Zeitung schreiben. Investigativer Journalismus, wissen Sie.«
Laura schaltete sich ein. »Greg glaubt, dass man mit Enthüllungsjournalismus gesellschaftliche und politische Probleme am besten angehen kann.«
»Wirklich?«, fragte Will etwas spöttisch. Missionarischer Eifer brachte ihn immer auf die Palme.
»Ja«, erwiderte Greg ebenso streitlustig.
»Okay, ich erzähle euch jetzt …«, sagte Laura leichthin, um die Spannung abzubauen.
Doch Will hakte nach. »Wie sieht es denn mit Stellenangeboten für investigativen Journalismus aus?«
»Nicht so toll. Ich mache gerade ein Praktikum bei der Washington Post . Klar, dass ich dort gern einen Job hätte. Wenn Sie mir mal einen Tipp geben wollen, hier ist meine Karte.« Es war halb scherzhaft gemeint.
Will steckte die Visitenkarte in seine Hemdtasche. »Eine meiner Verflossenen hat bei der Post gearbeitet«, sagte er. »Allerdings wird es Ihre Chancen nicht unbedingt steigern, wenn Sie mich als Referenz angeben.«
Laura wollte das Thema wechseln. »Also, wollt ihr jetzt etwas über mein Gespräch hören?«
»Unbedingt, in allen Einzelheiten.«
Sie schlürfte den Schaum von ihrem Champagner. »Es war einfach großartig«, rief sie aus. »Meine Lektorin, Jennifer Ryan, ist ein echter Schatz. Sie hat mir fast eine Stunde lang erzählt, wie gut ihr meine Veränderungen am Text gefallen und dass nur noch ein bisschen dran rumgefeilt werden müsste und so weiter, und dann hat sie verkündet, dass wir in den vierten Stock gehen würden, damit ich Mathew Bryce kennenlerne, den Verleger. Sie sitzen in einem alten Stadthaus, das ist so was von herrlich, und Mathews Büro ist in dunklen Farben gehalten und steht voller Antiquitäten, sodass man sich fühlt wie in einem englischen Club, versteht ihr, und er ist ein älterer Typ, etwa in Dads Alter, aber viel vornehmer …«
»Hey!«, warf Will ein.
»Tja, so ist es aber!«, fuhr sie fort. »Er wirkt wie die Karikatur eines Briten aus der Oberschicht, dabei ist er unheimlich weltmännisch und charmant, und ihr werdet’s nicht glauben, aber er hat mir Sherry aus einer richtigen Karaffe angeboten und ihn
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