Die Namen der Toten
einer Offshore-Bank liegen hatte, die Mark Shackleton zusehends selbstbewusster werden ließen. Peter Benedict war von der Bildfläche verschwunden. Er wurde nicht mehr gebraucht.
Selbst die Badezimmer der Suite waren mit Flachbildschirmen ausgestattet. Mark stieg aus der Dusche und trocknete sich ab. Ein Kabelsender lief. Er achtete nicht darauf, bis er das Wort Doomsday aufschnappte. Als er aufblickte, sah er Will Piper in einer Wiederholung der wöchentlichen FBI-Pressekonferenz auf dem Podium stehen und in etliche Mikrophone sprechen. Bei Wills Anblick im Fernsehen begann sein Herz zu rasen. Er griff nach seiner Zahnbürste, ohne den Blick vom Bildschirm abzuwenden, und putzte sich die Zähne.
Als er Will das letzte Mal bei einer Pressekonferenz gesehen hatte, hatte er müde und entmutigt gewirkt. Da weder neue Postkarten aufgetaucht noch weitere Morde begangen worden waren, hatte man die Berichterstattung zurückgefahren. Der noch immer ungelöste Fall hatte sowohl die Öffentlichkeit als auch die Strafverfolgungsbehörden erschöpft. Aber heute wirkte Will lebhafter. Die alte Kraft war wieder da. Mark drückte auf die Lautstärketaste.
»Ich kann Folgendes sagen«, sagte Will. »Wir gehen einigen neuen Spuren nach, und ich bin weiterhin zuversichtlich, dass wir den Mörder fassen werden.«
Aufgebracht sagte Mark: »Ach, Quatsch! Gib’s auf, Mann«, dann schaltete er den Fernseher aus.
Kerry lag nackt unter der dünnen Decke im Bett und döste. Mark band seinen Bademantel zu und holte seinen Laptop aus dem Aktenkoffer in dem tiefer liegenden Wohnzimmer der Suite. Er ging online und sah, dass er eine neue E-Mail von Nelson Elder hatte. Elders Liste war länger als gewöhnlich – das Geschäft lief gut. Mark brauchte fast eine Stunde, bis er den Job erledigt und über sein sicheres Portal geantwortet hatte.
Er kehrte ins Schlafzimmer zurück. Kerry regte sich. Sie hielt ihr Handgelenk mit der Uhr hoch und murmelte etwas davon, wie großartig es wäre, dazu eine passende Kette zu haben. Dann schlug sie die Decke zurück und winkte ihn zu sich.
Im gleichen Moment beschäftigten sich Will und Nancy mit allem anderen als Sex. Sie saßen in Wills Büro und kämpften sich durch einen überwältigenden Berg schlechter Drehbücher, ohne überhaupt zu wissen, worauf sie achten sollten.
»Warum hast du dich auf der Pressekonferenz so zuversichtlich gegeben?«, fragte sie ihn.
»Hab ich’s übertrieben?«, fragte er.
»Kann man wohl sagen. Großer Auftritt. Ich meine, was haben wir schon vorzuweisen?«
Will zuckte mit den Achseln. »Eine Suche nach der Stecknadel im Heuhaufen ist besser, als gar nichts zu unternehmen.«
»Das hättest du der Presse sagen sollen. Was willst du ihnen nächste Woche erzählen?«
»Bis dahin habe ich noch eine Woche Zeit.«
Beinahe wäre es gar nicht zu dieser Suche nach der Stecknadel im Heuhaufen gekommen. Wills erster Anruf beim amerikanischen Schriftstellerverband WGA war ein Reinfall gewesen. Sie heizten ihm wegen des Patriot Act ein und schworen, sich mit Zähnen und Klauen dagegen zu wehren, dass die Regierung auch nur ein Manuskript aus ihren Archiven in die Finger bekam. Wir suchen nicht nach Terroristen, hatte Will eingewandt, nur einen geisteskranken Serienkiller. Die WGA wollte es dennoch auf einen Streit ankommen lassen, sodass sich Will von seinen Vorgesetzten eine richterliche Vollmacht besorgen musste.
Drehbuchautoren, so bekam Will mit, waren eine geheimnistuerische Bande. Sie lebten in dem ständigen Wahn, Produzenten, Studios und vor allem andere Autoren könnten ihre Ideen klauen. Die WGA bot ihnen ein gewisses Maß an Beruhigung und Schutz, indem sie ihre Manuskripte registrierte und in elektronischer oder gebundener Form archivierte, falls die Urheberschaft nachgewiesen werden musste. Dazu war keine Mitgliedschaft notwendig – jeder Sonntagsschreiber konnte sein Manuskript registrieren lassen. Man musste lediglich eine Gebühr überweisen und das Drehbuch einschicken. Die WGA hatte eine Niederlassung an der Westküste und eine an der Ostküste. Allein bei WGA-West wurden jährlich über 50000 Manuskripte registriert, ein hübsches Geschäft für den Verband.
Das Justizministerium hatte es nicht leicht mit der richterlichen Vollmacht, vor allem, was den Nachweis eines hinreichenden Tatverdachts anging. Es sei »unrealistisch«, erklärte man Will, aber man würde alles versuchen. Letzten Endes hatte das FBI beim Ninth District Court of Appeals
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