Die Namen der Toten
in kleinen Kristallgläsern serviert. Es war so klasse. Und dann hat er ständig erklärt, wie sehr ihm mein Text gefällt – er nannte meinen Stil ›knapp und klar, mit der Kraft einer jungen Stimme‹.« Diese Worte hatte sie mit gekünsteltem englischen Akzent gesprochen. »Könnt ihr das fassen?«
»Hat er irgendwas davon gesagt, wie viel du daran verdienst?«, fragte Will.
»Nein! Ich wollte den Moment nicht mit einer Diskussion über Geld verderben.«
»Tja, mit dem Vorschuss wirst du dich jedenfalls nicht gleich zur Ruhe setzen können. Nicht wahr, Greg? Es sei denn, man macht mit investigativem Journalismus einen Haufen Knete.«
Der junge Mann ließ sich nicht provozieren.
»Es ist ein kleiner Verlag, Dad! Die bringen höchstens zehn Bücher im Jahr raus.«
»Und, gehst du auf Lesereise?«, fragte Nancy.
»Ich weiß noch nicht, aber es wird ja kein großes Buch. Es ist Literatur, kein Schund.«
Nancy wollte wissen, wann sie es lesen könne.
»Die Fahnen müssten in ein paar Monaten da sein. Ich schicke dir eine Kopie. Möchtest du es auch lesen, Dad?«
Er starrte sie an. »Ich weiß nicht genau.«
»Ich schätze, du wirst es überleben.«
»Man wird nicht jeden Tag als Abrissbirne bezeichnet, vor allem nicht von seiner eigenen Tochter«, sagte er.
»Es ist ein Roman. Das bist nicht du. Du hast mich nur dazu inspiriert.«
Will hob sein Glas. »Auf die inspirierenden Männer.«
Sie stießen erneut an.
»Haben Sie es gelesen, Greg?«, fragte Will.
»Ja. Es ist großartig.«
»Dann wissen Sie mehr über mich als ich über Sie.« Will wurde gelöster und lauter. »Vielleicht handelt Lauras nächstes Buch ja von Ihnen.«
»Weißt du, du solltest es wirklich lesen«, sagte Laura darauf säuerlich. »Ich habe auch ein Drehbuch daraus gemacht – wie wär’s damit? Ich lasse dir eine Kopie da. Dabei bekommst du genauso gut mit, worum es geht, aber ein Drehbuch liest sich schneller.«
Laura und Greg brachen kurz nach dem Abendessen auf, weil sie noch mit dem Zug nach Washington zurückwollten. Nancy blieb und half beim Aufräumen. Der Abend war zu angenehm, als dass man ihn einfach abbrechen wollte, außerdem war Will nicht mehr gereizt, sondern entspannt und beinahe fröhlich, ganz anders als der Mann, dem sie jeden Tag im Dienst begegnete.
Draußen wurde es allmählich dunkel, und der Verkehrslärm ließ nach, vom gelegentlichen Sirenengeheul eines Krankenwagens einmal abgesehen, der zum Bellevue-Hospital fuhr. Sie standen nebeneinander in der kleinen Kochnische, spülten und trockneten ab, waren beide noch vom Champagner beschwingt. Will war bereits auf Scotch umgestiegen. Beide waren froh, eine Zeitlang dem Alltag entkommen zu sein, und die einfache Hausarbeit wirkte beruhigend.
Es war nicht geplant – Will dachte später darüber nach –, aber statt zum nächsten Teller zu greifen, fasste er ihr an den Hintern und streichelte ihn behutsam. Im Nachhinein war er der Meinung, dass er es hätte kommen sehen müssen.
Durch das Abnehmen waren inzwischen ihre Wangenknochen sichtbar, sie hatte eine Figur mit schönen Rundungen – und, verdammt nochmal, er war eben empfänglich für ihr Aussehen. Darüber hinaus war sie bei ihrer Zusammenarbeit gereift. Sie war ruhiger, nicht mehr so übereifrig und aufgedreht, und zu seiner Belustigung hatte etwas von seinem Zynismus auf sie abgefärbt. Gelegentlich brachte sie ihn sogar mit ihrem Spott zum Grinsen. Die unerträgliche Pfadfinderin war verschwunden, und an ihre Stelle war eine attraktive Frau getreten, die ihm keineswegs mehr auf die Nerven ging. Ganz im Gegenteil.
Ihre Hände steckten im Seifenwasser. Sie ließ sie dort und schloss einen Moment lang die Augen, ohne zu reagieren.
Dann drehte er sie zu sich um, und sie musste sich einfallen lassen, was sie mit ihren Händen machen sollte. Schließlich legte sie sie nass, wie sie waren, auf seine Schultern und sagte: »Hältst du das für eine gute Idee?«
»Nein, und du?«
»Nein.«
Er küsste sie und mochte die Art und Weise, wie sich ihre Lippen anfühlten und ihr Mund weicher wurde. Er legte ihr beide Hände um den Hintern und spürte den straffen Stoff ihrer Jeans. Er verging fast vor Verlangen und drückte sich an sie.
»Die Haushälterin war heute da. Das Bett ist frisch bezogen«, flüsterte er.
»Du weißt ja offenbar ganz genau, wie man eine Frau verführt.« Sie wollte, dass es geschah, das spürte er.
An ihrer glitschigen Hand führte er sie ins Schlafzimmer, ließ sich
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