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Die Namen der Toten

Die Namen der Toten

Titel: Die Namen der Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Glenn Cooper
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fernsehen und ein paar Scotch kippen. Er hasste Mueller immer mehr.
    Dann klopfte jemand an die Tür. Will zog seine Glock. »Bringen Sie ihn ins Schlafzimmer.« Nancy schlang den Arm um Clives Taille und schaffte ihn rasch weg, während Will einen Blick durch den Türspion warf.
    Es war ein Polizist, der eine große Papiertüte hochhielt. »Ich habe Ihre Rippchen«, rief der Beamte. »Wenn Sie sie nicht wollen, nehmen ich und die anderen Jungs sie.«
    Die Rippchen waren gut – nein, großartig. Sie saßen zu dritt an Clives Esszimmertisch und aßen gierig, schaufelten die Beilagen in sich hinein – Kartoffelbrei, Käsemakkaroni, süßen Mais, Reis mit Erbsen und Grünkohl –, kauten und schluckten schweigend, da das Essen viel zu köstlich war, als dass sie es mit Gerede verderben wollten. Clive war zuerst fertig, dann Will, beide hatten fast bis zum Platzen gegessen.
    Nancy aß noch fünf Minuten weiter, gönnte sich eine Gabel nach der anderen. Die beiden Männer sahen ihr mit widerwilliger Bewunderung zu, rissen Feuchttücherpackungen auf und wischten sich sorgfältig die Barbecuesoße von den Fingern.
    Auf der Highschool war Nancy zierlich und sportlich gewesen. Sie hatte im Softballteam auf der Position Second Base gespielt und war Außenstürmerin in der Fußballmannschaft gewesen. Im ersten Studienjahr hatte sie zugelegt, wie so viele Studenten, wenn sie von zu Hause weg sind. Auf dem College waren es nur ein paar Pfund gewesen, aber während des Jurastudiums kamen weitere hinzu, bis sie sichtlich pummelig wurde. Mitten im zweiten Jahr an der Fordham University beschloss sie, zum FBI zu gehen, aber ihr Berufsberater erklärte ihr, dass sie sich vorher in Form bringen müsse. Daher machte sie mit wilder Entschlossenheit eine Blitzdiät und joggte, bis sie auf 54 Kilo runter war.
    Die Versetzung an die Dienststelle in New York war sowohl gut als auch schlecht. Das Gute dabei war New York. Das Schlechte ebenfalls. Mit ihrem Dienstrang, GS-10, bekam sie ein Grundgehalt von 38000 Dollar im Jahr, dazu eine Bereitschaftsdienstpauschale von 9500 Dollar. Wo sollte man in New York wohnen, wenn man weniger als 50000 Dollar verdiente? Für sie kam nur ihr früheres Zuhause in White Plains in Frage, wo sie wieder ihr altes Zimmer bezog, von Mama bekocht wurde und täglich eine üppige Lunchtüte mitnahm. Sie machte viele Überstunden und kam nicht dazu, ins Fitnessstudio zu gehen. Nach drei Jahren hatte sie ordentlich zugelegt, und da sie ohnehin nicht groß war, wirkte sie richtig mollig.
    Will und Clive sahen ihr zu, als nähme sie an einem Würstchenwettessen teil. Peinlich berührt, legte sie ihr Besteck hin und wurde rot.
    Dann räumten sie den Tisch ab und spülten, als wären sie eine Familie. Es war kurz vor zehn.
    Will schob mit den Fingerspitzen die Vorhänge ein paar Zentimeter weit auf. Es war stockdunkel. Er stellte sich auf die Zehenspitzen, schaute nach unten und sah zwei Streifenwagen am Straßenrand stehen, genau wie vorgesehen. Er ließ die Vorhänge wieder zufallen und überprüfte das Sicherheitsschloss an der Wohnungstür. Wie entschlossen war der Killer? Wie würde er angesichts des Polizeischutzes reagieren? Würde er abziehen und sich geschlagen geben? Schließlich hatte er erst vor knapp 24 Stunden die alte Frau ermordet. Serienkiller waren gewöhnlich keine allzu energiegeladenen Typen, aber dieser Kerl mordete ohne Unterlass. Könnte es sein, dass er die Wand zum angrenzenden Haus durchbrach? Sich vom Dach abseilte und durchs Fenster ballerte? Das ganze verdammte Gebäude in die Luft jagte, um sein Opfer zu kriegen? Will hatte noch kein Gefühl für den Täter, und die völlige Unvorhersehbarkeit der Situation machte ihn ziemlich nervös.
    Clive saß wieder in seinem Lieblingssessel und versuchte sich einzureden, dass die Zeit für ihn spielte. Er hielt sich an Nancy, die allem Anschein nach von seiner tiefen, klaren Stimme fasziniert war. Die beiden plauderten über Musik. Will hatte den Eindruck, dass Nancy auch davon einiges verstand.
    »Sie wollen mich auf den Arm nehmen«, sagte sie. »Sie haben mit Miles gespielt?«
    »O ja, ich habe mit allen gespielt. Ich habe mit Herbie gespielt, ich habe mit Dizzy, Sonny und Ornette gespielt. Ich hatte wirklich Glück im Leben.«
    »Wen mochten Sie am meisten?«
    »Tja, das war Miles, junge Frau. Nicht unbedingt als Mensch, wenn Sie wissen, was ich damit sagen will, aber als Musiker, o Mann! Der hatte keine Trompete in den Händen, das war ein Horn,

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