Die Namen der Toten
ausgelegter Innenhof, kühl und leer, bis auf eine Bronzeplastik von Henry Moore, die mit ihren ausgebuchteten Formen entfernt an eine menschliche Gestalt erinnerte. Das schimmernde Glas des Gebäudes wirkte wie ein Spiegel, der die Stimmung und die Farben der Umgebung wiedergab, und in Beverly Hills war es gewöhnlich strahlend schön, bei tiefblauem Himmel. Aufgrund der starken Krümmung warf das Glas auch die Spiegelungen der anderen Scheiben zurück, und das Ergebnis war ein wildes Durcheinander – Wolken, Gebäude, der Moore, Fußgänger und Autos wurden miteinander vermischt.
Es war wunderbar.
Das war sein großer Augenblick.
Er war ganz oben angekommen. Er hatte einen Termin bei Bernie Schwartz, einem der Götter von Artist Talent Inc.
Peter hatte sich den Kopf über seine Kleidung zerbrochen. Er hatte keine Erfahrung mit derartigen Terminen und war zu verlegen gewesen, um sich nach der Kleiderordnung zu erkundigen. Trugen Agenten heutzutage Anzug? Und Autoren? Sollte er konservativ wirken oder auffällig? Elegant oder leger? Er entschied sich für den Mittelweg – graue Hose, weißes Oxford-Hemd, blauer Blazer, schwarze Schuhe. Als er sich der Scheibe näherte, sah er sich selbst, unverzerrt, in einer einzelnen verspiegelten Glastafel und blickte rasch wieder weg. Seine knochige, schmächtige Gestalt und sein Glatzenansatz, den er normalerweise unter einer Baseballkappe verbarg, waren ihm peinlich. Denn eines wusste er immerhin: Je jünger ein Autor war, desto besser, und er befürchtete, dass er wegen seiner beginnenden Kahlköpfigkeit zu alt wirken könnte. Musste denn alle Welt wissen, dass er auf die fünfzig zuging?
Er trat durch die Drehtür in das kühle Foyer. Die Rezeption aus glänzendem Hartholz wiederholte den konkaven Schwung des Gebäudes. Der Boden war ebenfalls konkav und mit schmalen, geschwungenen Brettern aus gefährlich glattem Bambus belegt. Die Innenausstattung kündete von Geld und viel Sinn für Licht und Raum. Eine Reihe von Empfangsdamen, die allesamt wie Starlets aussahen und unsichtbare Headsets trugen, sagten ein ums andere Mal: »ATI, mit wem darf ich Sie verbinden?«
Es klang wie ein Gesang.
Er reckte den Hals, blickte nach oben und sah eine Schar schicker junger Männer und Frauen auf den Galerien umhereilen, und ja, die Agenten trugen Anzüge. Eine regelrechte Armani-Armee.
Er begab sich zur Rezeption und hüstelte. Die schönste Frau, die er je gesehen hatte, wandte sich an ihn und fragte: »Kann ich Ihnen behilflich sein?«
»Ich habe einen Termin bei Mr. Schwartz. Mein Name ist Peter Benedict.«
»Bei welchem?«
Er blinzelte verdutzt und stammelte: »Ich-ich-ich weiß nicht, was Sie meinen. Ich bin Peter Benedict.«
Eisig kam es zurück: »Welcher Mr. Schwartz? Wir haben drei.«
»Oh, ach so! Bernard Schwartz.«
»Nehmen Sie bitte Platz. Ich rufe seine Assistentin an.«
Wenn man nicht wusste, dass Bernie Schwartz einer von Hollywoods Spitzenagenten war, wurde es einem auch beim Anblick seines Büros in einem Eckzimmer im achten Stockwerk nicht klar. Er hätte Kunstsammler sein können, vielleicht auch Anthropologe. In dem Büro befand sich kein Blickfang, wie man ihn hätte erwarten können – kein Filmplakat, keine Fotos mit Stars oder Politikern, keine Preise, Filmrollen, DVDs, Plasmabildschirme oder Fachzeitschriften. Nichts als afrikanische Kunst, geschnitzte Statuen, dekorative Gefäße, mit Fellen bezogene Schilde, geometrische Bilder, Masken. Der kleine, dicke, alte Jude hatte offenbar eine Vorliebe für den Schwarzen Kontinent. Er rief einer seiner vier Assistentinnen durch die Tür zu: »Sagst du mir nochmal, warum ich den Typ sprechen will?«
Eine Frauenstimme antwortete: »Victor Kemp.«
Er wedelte mit der linken Hand. »Ja, ja, jetzt weiß ich’s wieder: Bring mir die Mappe mit dem Material und unterbrich mich nach höchstens zehn Minuten. Vielleicht auch nach fünf.«
Peter fühlte sich in Bernies Nähe sofort unwohl, obwohl der kleine Mann breit lächelte und ihn von seinem Schreibtisch aus heranwinkte wie ein Deckoffizier auf einem Flugzeugträger. »Kommen Sie rein, kommen Sie rein.« Peter ging auf ihn zu und tat so, als freue er sich, obwohl er die primitiven afrikanischen Kunstwerke abschreckend fand. »Was darf ich Ihnen anbieten? Kaffee? Wir haben Espresso, Latte, was Sie wollen. Ich bin Bernie Schwartz. Freut mich, Sie kennenzulernen, Peter.« Er schlang seine kurzen, feisten Finger um Peters zierliche Hand und schüttelte
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