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Die Namen der Toten

Die Namen der Toten

Titel: Die Namen der Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Glenn Cooper
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das ihm Gott persönlich überreicht hat. Und damit ist er unsterblich geworden. Er hat keine Musik gemacht, er hat gezaubert. Als ich mit ihm gespielt habe, hab ich gedacht, der Himmel tut sich auf und die Engel flattern zu uns runter. Soll ich was von Miles auflegen, damit ich Ihnen vorführen kann, was ich meine?«
    »Ich würde lieber etwas von Ihnen hören«, erwiderte sie.
    »Sie wollen mir schmeicheln, Miss FBI! Und Sie schaffen es auch.« Er wandte sich an Will: »Wissen Sie, dass Ihre Kollegin eine Charmeurin ist?«
    »Wir arbeiten erst seit heute zusammen.«
    »Sie hat Charakter. Damit kommt man weit.« Clive stemmte sich aus dem Sessel und ging zum Flügel, setzte sich auf den Hocker und ballte ein paar Mal die Fäuste, um seine Gelenke zu lockern. »Ich muss leise spielen, wegen der Nachbarn, wissen Sie.« Dann fing er an. Langsame, coole Klänge, unterschwellig zärtlich, mit Andeutungen eingängiger Melodien, die sich wieder auflösten und später neu aufgegriffen wurden. Er spielte eine ganze Weile mit geschlossenen Augen und summte ab und zu ein paar Takte mit. Nancy war wie gebannt, doch Will blieb wachsam, sah ab und zu auf die Uhr, horchte auf Klopftöne, Kratzen oder dumpfe Laute in der Nacht.
    Als Clive den letzten Ton verklingen ließ, sagte Nancy: »Mein Gott, war das schön. Vielen Dank.«
    »Nein, ich danke Ihnen fürs Zuhören und dass Sie heute Nacht auf mich aufpassen.« Er ließ sich wieder in seinen Sessel sinken. »Ich danke Ihnen beiden. Mit Ihnen fühle ich mich wirklich sicher, und das weiß ich zu schätzen. Sagen Sie mal, Chef«, wandte er sich an Will, »darf ich mir einen Absacker genehmigen?«
    »Was wollen Sie? Ich bringe Ihnen einen.«
    »Drüben im Küchenschrank, rechts neben der Spüle, steht eine Flasche Jack Daniels. Geben Sie kein Eis dazu.«
    Will fand die halbvolle Flasche. Er schraubte sie auf und schnupperte. Könnte jemand den Whiskey vergiftet haben? War das der Plan? Dann schoss ihm ein Gedanke durch den Kopf: Ich muss diesen Mann beschützen, und dabei könnte ich sehr gut einen Drink gebrauchen. Er goss sich zwei Fingerbreit ein und kippte sie hinunter. Schmeckte wie Bourbon. Eine angenehme Benommenheit stellte sich ein. Ich warte noch eine halbe Minute und stelle fest, ob ich draufgehe, dann kriegt der Mann seinen Absacker, dachte er, beeindruckt von seiner eigenen Logik.
    »Finden Sie die Flasche, Chef?«, rief Clive aus dem Nebenraum.
    »Ja. Komme gleich.«
    Will überlebte, also schenkte er ein weiteres Glas ein und brachte es Clive, der seine Fahne roch und sagte: »Freut mich, dass Sie sich bedient haben, Mann.«
    Nancy funkelte Will an.
    »Lebensmittelkontrolle, wie die Vorkoster im alten Rom«, sagte Will, aber Nancy war entsetzt.
    Clive trank einen Schluck, dann sagte er: »Wissen Sie, was, Miss FBI, ich schicke Ihnen ein paar CDs von meiner Gruppe, den Clive Robertson Five. Wir sind bloß ein Haufen alter Knaben, aber wir haben immer noch unser Ding am Laufen, wenn Sie wissen, was ich damit sagen will. Wir fahren immer noch mit Vollgas, auch wenn Harry Smiley, unser Drummer, öfter mal was anderes fahrenlässt.«
    Eine Stunde später erzählte er immer noch vom Tourneeleben, vom Klavierspielen und vom Musikgeschäft. Sein Glas war leer. Seine Stimme verklang hin und wieder, seine Lider flatterten, dann schloss er die Augen und schnarchte leise vor sich hin.
    »Was machen wir jetzt?«, fragte Nancy flüsternd.
    »In einer Stunde ist Mitternacht. Wir lassen ihn schlafen und warten ab.« Will stand auf.
    »Wohin gehen Sie?«
    »Aufs Klo. Ist Ihnen das recht?«
    Sie nickte missmutig.
    »Was denn?«, zischte er sie an. »Haben Sie gedacht, ich hole mir noch was zu trinken? Verdammt, ich musste mich doch davon überzeugen, dass der Schnaps nicht vergiftet ist.«
    »Selbstaufopferung«, stellte sie fest. »Bewundernswert.«
    Er ging pinkeln und kehrte wütend zurück.
    Er bemühte sich, nicht laut zu werden. »Wissen Sie, Partnerin, Sie müssen von Ihrem hohen Ross runterkommen, wenn Sie mit mir arbeiten wollen. Wie alt sind Sie?«, fragte er.
    »Dreißig.«
    »Tja, Süße, als ich zu dem Verein gekommen bin, waren Sie grade mal in der Aufbauschule, okay?«
    »Nennen Sie mich nicht Süße!«, zischte sie.
    »Sie haben recht, das war unpassend. Nicht mal in einer Million Jahren würden Sie meine Süße werden.«
    Es folgte ein Wutausbruch im Flüsterton. »Tja, und das ist auch gut so, denn als Sie das letzte Mal was mit jemandem von der Dienststelle hatten,

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