Die Namen der Toten
fühlt man sich als Generalunternehmer beim geheimsten Bauprojekt der Welt?«, fragte er.
Forrestal dachte über die Frage nach. »Ich habe mal ein Haus im Westchester County gebaut. Dieses Projekt ist etwas weniger nervenaufreibend.«
Truman grinste. »Weil Ihnen Ihre Frau hier nicht über die Schulter schaut, habe ich recht?«
Forrestal antwortete ebenso ernst wie zuvor. »Da haben Sie völlig recht, Sir.«
Truman beugte sich vor und senkte leicht die Stimme. »Das Material der Briten. Ist das in Maryland nach wie vor gut aufgehoben?«
»In Fort Knox käme man leichter dran.«
»Wie wollen Sie die Sachen quer durchs Land nach Nevada schaffen?«
»Admiral Hillenkoetter und ich sind noch im Gespräch, was den Transport angeht. Ich bevorzuge einen Lastwagenkonvoi. Er ist für Transportflugzeuge. Beides hat Vorteile und Nachteile.«
»Tja, verdammt«, versetzte Truman, »diese Entscheidung überlasse ich Ihnen. Ich werde da keine Vorschriften machen. Nur noch eins. Wie wollen wir den Stützpunkt nennen?«
»Auf den offiziellen Karten des Militärs wird die Gegend als NTS 51 bezeichnet, Mr. President. Die Pioniere nennen sie inzwischen Area 51.«
Am 28. März 1949 trat James Forrestal als Verteidigungsminister zurück. Truman hatte nichts Ungewöhnliches bemerkt, bis etwa eine Woche vor Forrestals Rücktritt, als dieser mit einem Mal sichtlich verfiel. Sein Verhalten wurde unberechenbar, er wirkte fahrig und ungepflegt, aß und schlief nicht mehr und war offenkundig nicht mehr dienstfähig. Es hieß, er habe aufgrund der Überlastung im Zusammenhang mit seiner Aufgabe einen Nervenzusammenbruch erlitten, und das Gerücht bestätigte sich, als er sich ins Bethesda Naval Hospital begab. Er verließ es nie wieder. Am 22. Mai fand man seine blutige Leiche auf dem Dach eines zweistöckigen Gebäudes tief unter dem Fenster der Krankenstation in der 16. Etage – offenkundig Selbstmord. Irgendwie hatte er es geschafft, das Fenster der Küche zu entriegeln, die seinem Zimmer gegenüberlag.
In den Taschen seines Pyjamas fand man zwei Zettel. Auf dem einen stand in Forrestals zittriger Handschrift ein Abschnitt aus Sophokles’ Tragödie Aias :
Vor dem dunkel gähnenden Grabe –
welch Jammer für die Mutter am Ende ihrer Tage , welch Jammer für ihr untröstliches Herz ,
wenn man flüsternd ins Ohr ihr sagt ,
was das Schicksal ihrem geliebten Sohn bereitet hat!
» Wehe , ach wehe !«, wird hallen der Schrei –
nicht still wird sie klagen , wie der bebende Schall des einsamen Vogels , der wehmütigen Nachtigall .
Auf dem anderen befand sich nur ein Satz: »Heute ist der 22. Mai 1949, der Tag, an dem ich, James Vincent Forrestal, sterben werde.«
11. Juni 2009 – New York City
Obwohl Will in New York lebte, war er kein New Yorker. Er hing dort wie ein Post-it, das man mühelos woanders hinkleben konnte. Er verstand diese Stadt nicht, hatte keine Beziehung zu ihr. Er konnte ihren Rhythmus nicht spüren, war nicht für sie geschaffen. Er hatte für all die neuen und schicken Dinge nichts übrig – die Restaurants, die Galerien, die Ausstellungen, die Theater, die Clubs. Er war ein Außenseiter, der keinen Zugang haben wollte. Wenn die Stadt ein Gewebe wäre, wäre er der ausgefranste Zipfel. Er aß, trank, schlief und gelegentlich vögelte er in New York, aber darüber hinaus interessierte er sich nicht dafür. Er hatte eine Lieblingsbar an der 2 nd Avenue, einen guten griechischen Diner an der 23 rd Street, einen annehmbaren chinesischen Imbiss an der 24 th , ein Lebensmittelgeschäft und einen Spirituosenladen an der 3 rd . Das war Wills Mikrokosmos, ein unscheinbares Quadrat aus Asphalt mit seiner typischen Geräuschkulisse – dem ständigen Heulen der Krankenwagen, die sich durch den Verkehr kämpften. In vierzehn Monaten würde er herausfinden, wo sein Zuhause sein würde, aber New York war es jedenfalls nicht.
Seine Unkenntnis war also keine Überraschung, als Nancy sagte, dass Hamilton Heights eine angesagte Wohngegend war.
»Ohne Scheiß«, gab er desinteressiert zurück. »In Harlem?«
»Ja! In Harlem«, erklärte Nancy. »Viele Akademiker sind dort hingezogen. Es gibt sogar ein Starbucks.«
Sie fuhren durch den stockenden Berufsverkehr, und die junge Frau redete unentwegt.
»Das City College von New York ist da oben«, fügte sie begeistert hinzu. »Es gibt jede Menge Studenten und Akademiker, ein paar großartige Restaurants und so weiter, und es ist viel billiger als in den meisten
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