Die Namen der Toten
Versicherungen, Mann?«
»Also, ja und nein. Ich leite eine Versicherungsgesellschaft.«
»Wow! Ein richtiger Zocker, Mann!«, rief der Junge.
Sam mischte die Karten neu, und Peter zählte automatisch mit. Nach fünf Minuten war die Summe im neuen Schuh ziemlich hoch. Peter hielt mit, schnitt ein bisschen besser ab als zuvor und gewann ein paar Mal öfter, als er verlor. »Sehen Sie, ich hab’s Ihnen ja gesagt«, meinte Sam zu ihm, nachdem er dreimal hintereinander gewonnen hatte. Der Arzt war mit zweitausend im Minus, der Versicherungstyp allerdings hatte über dreißigtausend verloren und wurde zusehends gereizter. Der Junge setzte aufs Geratewohl, offenbar ohne jedes Gefühl für das Spiel, aber er war nur mit zweihundert im Minus. Er bestellte sich einen Rum mit Cola und spielte mit dem Cocktailquirl herum, bis er ihm aus dem Mund fiel und am Boden landete. »Ups«, sagte er leise.
Dann kam eine Blondine, Ende zwanzig, in engen Jeans und einem gelben Ringeltop an den Tisch und setzte sich auf den freien Stuhl. Sie stellte ihre teure Louis-Vuitton-Tasche zwischen ihre Füße und baute sorgfältig vier Stapel Chips zu 10000 Dollar vor sich auf. »Hallo«, sagte sie zurückhaltend. Sie war nicht überwältigend, hatte aber eine Bombenfigur und eine sanfte, sexy Stimme, und mit diesen beiden Attributen brachte sie augenblicklich das Gespräch zum Erliegen. »Ich hoffe, ich unterbreche Sie nicht«, sagte sie.
»Nein!«, sagte der Junge. »Uns fehlt eindeutig eine schöne Frau an diesem Tisch.«
»Ich heiße Melinda«, sagte sie, worauf sich alle kurz vorstellten, wie in Las Vegas üblich. Sie stammte aus Virginia. Sie deutete auf ihren Ehering. Ihre bessere Hälfte war am Pool.
Peter beobachtete sie mehrere Runden lang. Sie war schnell und frech, setzte 500 Dollar pro Blatt und zog grenzwertige Karten, die sich aber lohnten. Der Junge verlor drei Runden hintereinander, lehnte sich zurück und sagte: »Mann, auf mir liegt wohl ein Fluch, oder was?«
Ein Fluch.
Peter wurde klar, dass die Summe bei plus dreizehn lag und rund 40 Karten im Schuh waren.
Ein Fluch.
Die Blondine schob einen Stapel Chips im Wert von 3500 Dollar vor. Als der Versicherungstyp das sah, erhöhte er und setzte das Maximum. »Sie machen mir Mut«, erklärte er ihr. Peter blieb bei seinen 100 Dollar, desgleichen der Arzt und der junge Mann.
Sam teilte rasch aus und gab Peter eine starke Neunzehn, dem Versicherungstyp eine Vierzehn, dem Arzt eine Siebzehn, dem Jungen eine Zwölf und der Blondine zwei Buben – zwanzig. Der Dealer zeigte eine Sechs vor. Sie ist auf der sicheren Seite, dachte Peter. Hohe Summe, der Dealer zieht wahrscheinlich und ist draußen, und sie ist mit ihren zwanzig fein raus.
»Ich splitte die hier, Sam«, sagte sie.
Sam zwinkerte und nickte, als sie weitere 3500 Dollar setzte.
Teufel nochmal! Peter war verblüfft. Wer splittet denn Zehner?
Es sei denn …
Peter und der Arzt behielten ihr Blatt, der Junge zog eine Sechs und blieb auf achtzehn. Der Versicherungsmensch ging mit einer Zehn baden und stieß genervt aus: »Verfluchter Mist!«
Die Blondine hielt die Luft an und ballte die Fäuste, bis Sam ihr eine Königin in die eine Hand und eine Sieben in die andere gab. Sie klatschte und stieß gleichzeitig den Atem aus.
Der Dealer deckte seine erste Karte auf, einen König, und zog eine Neun.
Verloren.
Während sie noch vor Begeisterung kreischte, zahlte Sam den Tisch aus und schob ihr sieben Riesen in Chips zu.
Peter entschuldigte sich rasch und lief inmitten der Aufregung zur Herrentoilette. Seine Gedanken überschlugen sich. Was denke ich da?, sagte er sich. Das geht dich nichts an! Halt dich da raus!
Aber das konnte er nicht. Er war empört – wenn er es nicht ausnutzte, warum sollten sie es dann tun?
Er drehte sich um, kehrte zu den Black-Jack-Tischen zurück und nahm Blickkontakt mit dem Aufseher auf, der ihm lächelnd zunickte. Peter schlenderte zu ihm hinüber und sagte: »Na, wie läuft der Abend so?«
»Gut, Sir. Womit kann ich Ihnen behilflich sein?«
»Sehen Sie den jungen Mann und die Blondine an dem Tisch da drüben?«
»Ja, Sir.«
»Sie zählen mit.«
Die Mundwinkel des Aufsehers zuckten. Er hatte schon viel erlebt, aber dass ein Spieler einen anderen verpfiff, war etwas ganz Neues. Was war der Grund? »Sind Sie da sicher?«
»Absolut. Der Junge zählt mit und gibt ihr Zeichen.«
»Danke, Sir. Ich kümmere mich darum.«
Der Aufseher rief den Geschäftsführer an, der sich wiederum
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