Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Namen der Toten

Die Namen der Toten

Titel: Die Namen der Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Glenn Cooper
Vom Netzwerk:
anderen mit einem lauten Zischen zum Schweigen.
    In Oswyns Kammer war es kalt und dunkel, das Feuer war fast vollständig niedergebrannt. Sie fanden ihn zusammengerollt auf seinem Bett, voll bekleidet, die Haut so kalt wie die Luft in dem Gemach. Die rechte Hand hatte er um das Pergament gelegt, auf dem sein Name stand.
    »Gütiger Gott!«, rief Josephus.
    »Die Prophezeiung –«, murmelte Paulinus und sank auf die Knie.
    Die beiden Männer sprachen ein kurzes Gebet über Oswyns Leichnam, dann erhoben sie sich.
    »Der Bischof muss verständigt werden«, sagte Paulinus.
    Josephus nickte. »Ich schicke morgen einen Boten nach Dorchester.«
    »Solange der Bischof nicht jemand anders bestimmt, musst du diese Abtei leiten, mein Freund.«
    Josephus bekreuzigte sich und grub sich die Finger in die Brust, als er das Zeichen machte. »Sag Schwester Magdalena Bescheid und bitte sie, mit der Vesper zu beginnen. Ich bin gleich dort, doch eines muss ich zuvor noch tun.«
     
    Josephus eilte durch die Dunkelheit zur Klosterpforte und blieb schwer atmend stehen. Dann stieß er das Tor auf, das sich knarrend öffnete.
    Der Junge war nicht da.
    Josephus rannte den Weg hinab und rief ein ums andere Mal seinen Namen.
    Dann sah er eine kleine Gestalt neben dem Fahrweg hocken.
    Octavus war nicht weit gegangen. Schweigend und zitternd saß er in der eisigen Nacht an einem Feldrain. Josephus nahm ihn behutsam in die Arme, hob ihn hoch und trug ihn zum Tor.
    »Du kannst bleiben, Junge. Gott möchte, dass du bleibst.«

25. Juni 2009 – Las Vegas
    Will hatte auf Meereshöhe angefangen zu flirten und legte sich auch in zehntausend Meter Flughöhe noch mächtig ins Zeug. Die Stewardess war genau sein Typ, eine große, gutgebaute Schönheit mit Schmollmund und aschblondem Haar. Eine Strähne fiel ihr ständig ins Auge, und sie strich sie immer wieder geistesabwesend weg. Nach einer Weile stellte Will sich vor, er liege nackt neben ihr und streiche ihr die Haarsträhne selbst aus dem Gesicht. Seltsamerweise bekam er einen Anflug von schlechtem Gewissen, als ihm Nancy und ihr vorwurfsvoller Blick in den Sinn kamen. Musste sie ihm jetzt auch schon seine Phantasien verderben? Er verscheuchte den Gedanken und widmete sich wieder der Stewardess.
    Will hatte sich an die üblichen Sicherheitsvorkehrungen gehalten, als er sich mit einer Dienstwaffe für den Flug der U.S. Airways eingecheckt hatte. Er war frühzeitig abgefertigt worden und hatte sich auf einem Gangplatz niedergelassen, genau über der Tragfläche. Darla, der Stewardess, die sich gerade über den Gangplatz gegenüber beugte, gefiel der muskulöse Typ in Sportsakko und Khakihose auf Anhieb.
    »Hey, FBI«, flötete sie.
    »Selber hey.«
    »Möchten Sie was trinken, bevor der große Ansturm kommt?«
    »Rieche ich Kaffee?«
    »Kommt gleich«, sagte sie. »Wir haben heute einen Air-Marshal auf 7C, aber Sie sind eine viel größere Nummer als er.«
    »Wollen Sie ihm Bescheid sagen, dass ich hier bin?«
    »Das weiß er schon.«
    Später, als die Getränke serviert wurden, schien sie ihn im Vorbeigehen jedes Mal leicht an der Schulter oder am Arm zu streifen. Vielleicht bilde ich mir das nur ein, dachte er, während ihn das tiefe Grollen der Triebwerke so schläfrig machte, dass er schließlich eindöste. Aber vielleicht auch nicht …
    Irgendwann fuhr er wieder hoch und wusste im ersten Moment nicht, wo er war. Unter ihm erstreckten sich grüne Felder bis zum Horizont, folglich mussten sie irgendwo mitten über dem Land sein. Laute, aufgebrachte Stimmen drangen aus der Nähe der Waschräume zu ihm. Er löste seinen Sitzgurt und drehte sich um: Drei junge Briten mit roten Gesichtern hatten eine ganze Reihe in Beschlag genommen, und als geübte Saufkumpane wollten sie sich schon auf dem Flug in ihren Las-Vegas-Urlaub ein bisschen in Stimmung bringen. Sie wirkten wie ein dreiköpfiges Monster, als sie gestikulierend auf einen schlanken Flugbegleiter einredeten, der ihnen den Biernachschub gekappt hatte. Vor den Augen der unangenehm berührten Passagiere erhob sich der Brite am Gang, ein richtiger Schrank, der nur aus Sehnen und Muskeln zu bestehen schien, baute sich vor dem Steward auf und schrie: »Du hast gehört, was mein Kumpel gesagt hat. Er will noch was zu trinken, verflucht nochmal!«
    Darla lief rasch den Gang hinunter, um ihren Kollegen zu unterstützen. Im Vorbeigehen warf sie Will einen Blick zu. Der Air-Marshal auf 7C blieb sitzen, wie vorgeschrieben, und behielt die Cockpit-Tür im

Weitere Kostenlose Bücher