Die Namenlose
vernehmen.«
»Schweig!« gellte ein Aufschrei. »Niemand hindert mich daran, zurückzuholen, was mein ist.«
»Niemand außer dir selbst«, sagte Zaem. »Und nun geh!«
»Du wagst es, mir zu befehlen«, brüllte die Meermutter unbeherrscht. »Dafür könnte ich dich töten.« Zornesadern schwollen auf ihrer Stirn.
Zaem zuckte nur mit den Schultern. Augenblicke später war sie wieder allein und fragte sich, ob es richtig gewesen war, die Namenlose derart zu reizen. Sie begann, um Burras Leben zu bangen. Zwei Schwerter allein waren zu wenig, um gegen das zu bestehen, was in der Abgeschiedenheit des Nassen Grabes herangereift war.
*
Mit ungebrochener Kraft heulte der Wind. Aus dem Innern der Insel kommend, wirbelte er die letzten Nebel-Schwaden über den Rand der Klippen hinaus.
Dennoch reichte die Sicht kaum weiter als fünfzig oder sechzig Schritte. Unebenheiten im Gelände sowie ein kleinerer Hain waren schuld daran.
»Für Müßiggang ist keine Zeit«, fuhr Burra die beiden Tritonen an, die sich auf dem nackten Fels niedergelassen hatten. Ein flüchtiger Blick nach dem Stand der Sonne hatte die Amazone erkennen lassen, daß es nahe am Mittag war.
»Gönne ihnen die Ruhe«, sagte Mythor. Er konnte verstehen, daß die Okeazar erschöpft waren.
»Ach was. Ich habe sie nicht gezwungen, mitzukommen. Du scheinst zu vergessen, um was es geht.«
»Und du, wer dich letztlich gerettet hat. Wie kann man nur…«
Burra riß Dämon aus der Scheide und richtete das Schwert auf Mythor. Aber dann überlegte sie es sich doch anders. Ihre verzerrten Züge entspannten sich etwas.
»Nicht hier«, grinste sie, »und auch nicht heute. Wenn ich mit dir ein zweitesmal die Klingen kreuze, sollst du jenen Tag nie mehr vergessen - falls du ihn länger als ein paar Augenblicke überlebst.« Sie schwieg abrupt, als sie merkte, daß der wiedergeborene Tau unbeeindruckt blieb. »Na gut. Du hast jetzt deinen Spaß, ich werde ihn später haben.«
Der Wind nahm an Heftigkeit noch zu, bevor er allmählich abflaute. Auf dem Höhepunkt brachte er eine trockene Hitze mit sich, die das wenige Gras, das zwischen den Steinen sprießte, verdorren ließ. Man konnte zusehen, wie die bislang saftigen Halme gelb wurden und schlaff.
Für die Okeazar war es eine Qual. Kurz und pfeifend ging ihr Atem, und sie opferten einen Großteil des Wasservorrats, um ihre Kiemen feucht zu halten. Selbst die Amazonen hätten sich am liebsten ihrer Rüstungen entledigt.
Langsam nur ging es voran. Die folgende Stille war bedrückend, ließ sie doch die Schwermut des Todes aufkommen. Nichts regte sich. Kein Vogel sang in den Lüften sein Lied, keine blutsaugenden Insekten verfolgten die einsamen Wanderer mit ihrem aufdringlichen Summen.
»Ist es der Einfluß der Schwarzen Mutter, der hier spürbar wird?« fragte Gudun schließlich. Ihre Stimme klang dumpf, als spräche sie aus der Tiefe eines Brunnenschachts.
Burra nickte nur.
»Die Namenlose wird uns aufspüren…«, bohrte Gudun weiter.
»Wahrscheinlich weiß sie schon, daß wir auf dem Weg zu Zaems Luftschiff sind.«
»Du nimmst dies so gelassen hin…«
»Was soll ich tun?« meinte Burra gereizt. »Die Schwarze Mutter wird uns verschonen, vorerst wenigstens, denn sie will die Zaemora. Und neben Zaem kenne allein ich den Schlüssel, der den Bann zu brechen vermag.«
»Hinein kommen wir also«, stellte Mythor fest. »Und dann?«
»Wozu haben wir unsere Schwerter?« brauste Burra auf. »Zumindest ich und Gudun verstehen es, damit umzugehen.«
»Hongas Frage ist berechtigt«, warf die Amazone ein. »Auch wenn er ein Mann ist, versteht er sich aufs Kämpfen. Ich habe es erlebt. Allerdings glaube ich nicht, daß wir damit die Meermutter beeindrucken können.«
Burra antwortete mit einem wüsten Fluch und stapfte weiter. Deutlicher hätte sie ihren Unwillen nicht zum Ausdruck bringen können.
Sie erreichten die ersten Bäume, deren Laub welk war, als habe es ebenfalls unter dem Sturm gelitten. Nur hie und da zeigten sich spärliche grüne Triebe.
Dichtes Unterholz wucherte selbst zwischen den Stämmen. Mit weit ausholenden Bewegungen schlug Burra den Weg frei.
»Die Zaemora ruht in der Nähe eines kleinen Rinnsals«, fauchte sie. »Hier werden wir das Luftschiff bestimmt nicht finden.« Unter ihren Hieben zersplitterten selbst dünne Äste.
Immer wieder blieb sie stehen und suchte zwischen den Bäumen hindurch einen Blick auf das Land zu erhaschen. Immerhin hatte sie Ngore aus der Luft gesehen. Mancher
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