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Die Namenlose

Die Namenlose

Titel: Die Namenlose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hubert Haensel
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hatten. Der vierte Fischmensch war ihrer Forderung folgend beim Pferch zurückgeblieben.
    »Wasser«, sagte der Tritone. »Wir besitzen nicht Learges’ Fähigkeit, uns über unbegrenzte Zeit hinweg an Land aufzuhalten. Hin und wider müssen wir unsere Kiemen anfeuchten, um nicht auszutrocknen wie Schwämme, die man der prallen Sonne aussetzt.«
    »Hm«, knurrte Burra gereizt. »Aber wir lassen unsere Luftsäcke zurück, weil wir sie ganz bestimmt nicht brauchen.«
    Der Aufstieg gestaltete sich überaus schwierig. Vor allem die dem Leben im Wasser angepaßten Tritonen liefen mehrfach Gefahr, abzustürzen. Verwittertes Gestein brach unter ihren Griffen aus und polterte in die Tiefe. Es war mehr als nur Glück, daß niemand verletzt wurde.
    Ein kaum sichtbarer Weg zog sich in weiten Windungen den Steilhang hinauf. Wer immer ihn einst geschlagen hatte, mochte schon seit Generationen nicht mehr unter den Lebenden weilen. Wind und Wasser, Frost und Hitze hatten das Ihre getan, alle Spuren sorgsam zu verwischen.
    Nach vielleicht zehn Körperlängen schweißtreibender Kletterei war das Schlimmste überstanden. Mittlerweile stand die Sonne mehr als zwei Handbreit hoch über dem Horizont. Nicht viel mehr als ein verwaschener Fleck, schimmerte sie durch den Dunst.
    Ein drei Fuß breiter Saumpfad führte nun weiter. Niemand, der nach unten blickte, konnte das Meer sehen. Längst herrschte Ebbe, und nur noch ein leises Rauschen war zu hören. Der Nebel war in ständiger Bewegung begriffen. Beklemmend legte er sich auf die Atemwege, schnürte den Brustkorb ein, bis man fürchtete, keine Luft mehr zu bekommen.
    Etwas Unheimliches schien seine Fittiche über Ngore ausgebreitet zu haben.
    Dabei wußte keiner der Tritonen zu sagen, ob das ungewöhnlich war für diesen Platz. Es fiel schwer, in ihren Gesichtern zu lesen, aber Mythor glaubte zu erkennen, daß sie Furcht empfanden.
    Schweigend kletterten sie weiter, keuchend und schweißgebadet. Nicht der leiseste Windhauch regte sich. Die Luft war schwül wie im dichtesten Urwald.
    Oft brachen ganze Felsstücke aus und verschwanden polternd in der Tiefe. Stets dann drang ein dumpfes Gurgeln von unten herauf.
    »Es ist nur der Schall der Geröllawinen, der vom Nebel verzerrt wird«, fauchte Burra ärgerlich, als der vorderste der Okeazar langsamer wurde. »Kein Grund zur Besorgnis.«
    Er aber schien ihre Worte nicht zu hören und blieb stehen, den oberen Klippenrand bereits in Sichtnähe. Vielleicht noch zehn Schritte, dann schloß sich eine buschbestandene Ebene an.
    »Du sollst weitergehen, Kerl«, brüllte Burra.
    Langsam wandte der Mann sich ihr zu. Seine Züge wirkten verzerrt.
    »Hast du nicht gehört, Amazone? Niemand, der es vernommen hat, wird durch laute Reden auf sich aufmerksam machen.« Er flüsterte nur.
    »Was?« knurrte Burra, ärgerlich auf sich selbst, daß sie den Fischmenschen überhaupt gestattet hatte, sie zu begleiten.
    »Der Schrei des Sturmvogels, dreimal hintereinander. Er verheißt dem den Tod, der ihn hört.«
    »Ich habe nichts vernommen. Wenn du Angst hast, kehre um, aber verschone uns mit deinem Kleinmut.«
    »Da!« Der Okeazar erstarrte. Stille herrschte, die kein Ruf durchbrach.
    »Geh endlich weiter!«
    »Ich warne dich, Kriegerin - euch alle. Von Ngore haben böse Geister Besitz ergriffen.«
    Burra schob ihn einfach vor sich her.
    Nach acht Schritten geschah es, daß ein Brausen anhob wie von einem mächtigen Sturm. Die Nebelschleier wurden aufs Meer hinaus gewirbelt, während die Ebene sich unvermittelt in gleißendes Sonnenlicht getaucht zeigte.
    Nur rings um den Pfad wollten die Schleier nicht weichen. Dicht ballten sie sich zusammen; eine mächtige Pranke schien aus ihnen heraus nach den Wanderern zu greifen.
    Alles geschah so schnell, daß selbst Burra kaum Zeit fand, ihre Schwerter zu ziehen.
    Der Okeazar taumelte plötzlich, suchte, indem er sich nach vorne fallen ließ, verzweifelt nach einem Halt, glitt aber ab, als eine neue, weitaus heftigere Bö über den Klippenrand strich, und verschwand mit einem gellenden Aufschrei in der Tiefe.
    Der Nebel schien Gestalt anzunehmen, wand sich wie der zuckende Leib einer Schlange über den Fels.
    »Lauft!« schrie Burra den anderen zu. »Bringt euch in Sicherheit.«
    Den Okeazar mußte sie das nicht zweimal sagen. Gleichzeitig schlug Mythor mit seinem leuchtenden Schwert auf etwas ein, das nach seinen Beinen tastete. Alton ließ ein wehmütiges Klagen vernehmen, bohrte sich durch den Nebel, der sofort

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