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Die Namenlose

Die Namenlose

Titel: Die Namenlose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hubert Haensel
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vor ihm wich, und klirrte funkensprühend auf den Stein. Täuschte Mythor sich, oder glotzte tatsächlich ein tückisch funkelndes Auge ihn an? Hinter ihm keuchten die Amazonen und fochten einen stummen Kampf gegen einen Gegner, der sich nicht stellen ließ. Immer neue Gliedmaßen, Tentakel, Hände, Krallen und Klauen griffen nach ihnen, um auch sie in den Abgrund zu stoßen.
    Ein einziger Fehltritt bedeutete den Tod.
    Zu allem Überfluß begann es auch noch zu regnen. Wahre Sturzbäche ergossen sich über die Klippen und verwandelten jede Handbreit Fels in eine gefährliche Rutschbahn.
    »Runter vom Pfad!« brüllte Burra gegen das lauter werdende Plätschern an, das Trommeln des Regens auf nacktem Fels. Mühsam tastete sie sich vorwärts, verbittert gleichzeitig das Schwert führend.
    In dichten, wallenden Schwaden sammelte der Nebel sich jetzt unmittelbar über dem Boden. Der Niederschlag hatte die dahintreibenden Fetzen aufgerissen und ließ einen wolkenverhangenen Himmel sichtbar werden.
    Das Fremde, das zuletzt fast körperlich spürbar geworden war, schwand zusehends - wie auch der Brodem vom Wasser weggeschwemmt wurde. Bis auf die Haut durchnäßt und zitternd, aber schon wieder voll mühsam verhaltenem Tatendrang, schob Burra sich endlich zwischen die ersten Sträucher.
    »Was - was war das?« stöhnte sie.
    Gudun und Mythor, die ihr auf dem Absatz folgten, wußten genauso wenig eine Antwort darauf.
*
    Gefangen…
    … in einem Raum aus spiegelndem weißen Marmor, in dem keine Magie sich manifestieren konnte.
    Hilflos…
    … wie ein Kaninchen unter dem stechenden Blick der Schlange.
    Ausgeliefert einer, die besessen war vom Rausch der Macht… Übertölpelt wie eine blutjunge Novizin, die mit ihren Kräften noch nichts anzufangen wußte.
    Mehr als nur einmal hatte sie versucht, auszubrechen. Alles war vergebens.
    Dennoch gab Zaem die Hoffnung nicht auf. Solange sie lebte, konnte sie widerstehen. Und die Namenlose war auf sie angewiesen, wenn sie ihr Ziel erreichen wollte.
    Du hast nie genug bekommen, dachte die Zaubermutter. Daran haben fünfhundert Sommer und Winter nichts ändern können, und du würdest auch dann noch die sein, die du immer gewesen, zögen weitere fünfhundert ins Land.
    Ganz Vanga wird gegen dich aufstehen, nicht nur eine Kriegerin und Hexe wie damals …
    Zaem wurde jäh unterbrochen, als Düsternis die Wände durchdrang. Stets kam die Schwarze so zu ihr, einem Schatten gleich, der kein Hindernis zu fürchten hat.
    Sie will mir ihre Macht beweisen, durchfuhr es die Zaubermutter.
    Helles Gelächter ertönte. Unvermittelt stand die Namenlose vor der Wand aus blitzendem Marmor, die ihre Erscheinung in immer neuen Spiegelbildern preisgab.
    »Du verfällst ins Grübeln, Zaem, das ist nicht gut. Als die Okeara-lör mir das sagten, eilte ich herbei, um dich auf andere Gedanken zu bringen.« Die Stimme klang voll zynischem Spott. »Unser Wiedersehen nach all der Zeit scheint dir nicht zu gefallen. Dabei hast du es mir zu verdanken, daß du wurdest, was du heute bist. Zaem, die Tapfere, machte man zur Zaubermutter. Lange mußte ich auf den Augenblick der Rache warten, aber bald werde ich dir alles nehmen. Zittern sollst du und mich als deine Meisterin preisen, denn du bist ein Nichts, unwürdig, auch nur eine Hexe genannt zu werden.«
    Zaem schwieg und wandte sich um. Die Meermutter machte mehrere Schritte zur Seite, daß sie ihr wieder ins Gesicht schauen konnte.
    »Dein Hochmut wird nicht von Dauer sein«, zischte sie. »Glaubst du wirklich, deiner Amazone könnte jemals die Flucht gelingen? Die Hohenpriesterinnen wurden ihrer habhaft, bevor sie den Tempel verlassen konnte.«
    Zaem zuckte kurz zusammen, hatte sich aber sofort wieder in der Gewalt.
    Die Namenlose lachte erneut.
    »Sicher freut es dich zu hören, daß die Kriegerin zum zweitenmal entkommen konnte. Sie ist auf dem Weg nach Ngore, nicht wahr? Und sie ist im Besitz des Schlüssels…«
    »Du hast versucht, dich an der Zaemora zu vergreifen«, platzte Zaem heraus.
    »Natürlich habe ich das«, nickte die Meermutter. »Was einst mir gehörte, steht mir heute erst recht zu.«
    »Den Bann vermochtest du dennoch nicht zu brechen«, triumphierte Zaem. »Das beweist, wer von uns die Stärkere ist.«
    »Deine Kriegerin wird mich aller Mühe entheben. Unterwerfe dich, werde meine Sklavin, bevor ich dich mit einem einzigen Wink hinwegfegen kann.«
    Zaem spie aus.
    »Du bist besessen - niemals wieder wird die Geschichte deinen Namen

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