Die Namensvetterin: Kriminalroman (Krimi im Gmeiner-Verlag) (German Edition)
verwirrt war. Ihre eigene Aufgewühltheit war ihr klar: Sie war noch von ihrer letzten Beziehung rekonvaleszent. Sie hatte wirklich geglaubt, Karl wäre anders. Sie hatte ihm auch gleich gesagt, dass sie Polizistin war. Er schien damit überhaupt keine Probleme zu haben. Da er selbst als Vertreter einen unregelmäßigen Job hatte, dachte sie, auch ihre wechselnden Schichten würden kein Problem sein. Und sie hatten sich im Bett gut verstanden. Doch eines Tages war es vorbei gewesen. Maria wusste zwar nicht den Anlass – bislang hatte sie jede Auseinandersetzung mit der Geschichte verweigert –, doch sie wusste, dass alles schlagartig anders gewesen war. Was war der Wendepunkt gewesen? Karl war plötzlich ihr gegenüber kühl und hart. Und als sie ihn auf eine etwaige Geliebte angesprochen hatte, hatte er es nicht einmal geleugnet. Er schien förmlich vor ihr zu fliehen. Dabei hatte sie ihm die bewusste Frage eigentlich nur gestellt, weil sie am Abend zuvor einen Film gesehen hatte, in dem eine Frau ihrem unterkühlten Mann diese Frage gestellt hatte. Ihr Unterbewusstsein musste ihr einen Streich gespielt haben. Und sie hatte eigentlich auch erwartet, dass sich Karl auf Probleme bei der Arbeit rausreden würde. Tja, so konnte man sich irren. Sie fühlte seine Erleichterung jetzt noch.
Ja, Maria war klar, warum sie auf diese scheinbar so geballte Ladung Liebe unruhig reagierte. Aber Phillip? Sie kannte ihn noch viel zu wenig. Man sollte über seinen Partner Bescheid wissen. Sie musste mit ihm einmal etwas trinken gehen. Wenn er ihr nur nicht so unsympathisch wäre.
»Wir könnten einmal etwas trinken gehen.«
Maria verschluckte sich fast am Rauch. Hatte Phillip das eben gesagt?
»He, rauchen will gelernt sein.«
Gott sei Dank, er war noch der Alte. Phillip klopfte Maria auf den Rücken, viel zu hart und ungelenk. Sie japste auf vor Schmerz.
»Entschuldigung.«
Unerwartet sanft strich er ihr über den Rücken und rauchte genüsslich weiter.
»Na, was halten Sie davon?«
»Keine schlechte Idee. Besser als Karaoke.«
Sie lachten. Anders als in Dornhelms Wohnung. Erstmals zwängte sich so etwas wie Vertrautheit zwischen sie. Das Haustor wurde aufgewuchtet. Josef stöhnte sich durch den Spalt.
»He, vielleicht sollten Sie wieder einmal ein paar Gewichte stemmen?«
»Ein paar Bissen zu essen reichen auch. Maria, gehen wir auf ein Frühstück?«
»Okay. Ins Bett komme ich sowieso nicht mehr. Aber musst du nicht zu Stella?«
Josef sah sie mit einer Erschöpfung an, die nicht nur von dieser Nacht herrührte.
»Margit ist bei ihr. Ich würde nur stören. Nein, ich werde dann gleich in die Prosektur fahren.«
Phillips Mund zuckte, aber auf Marias bittenden Blick verkniff er sich seine wohl zynische Meldung.
»He, wie wär’s mit dem Bäcker dort? Der macht eine fantastische Melange.«
Im stillen Einvernehmen dreier überarbeiteter Menschen schlurften sie über die Straße. Warm strömte ihnen der Duft von frischen Semmeln entgegen. Es war eine jener Bäckereien, die, um ihr Überleben zu sichern, ein kleines Stehcafé eingerichtet hatten. Zwei Kaffees und zwei Semmeln pro Mann und Nase später wurde die Überdrehtheit der Nacht langsam von der um ihr Recht kämpfenden Müdigkeit abgelöst. Josef rührte vor sich hin starrend in seiner dritten Melange. Phillip baute mit den Zuckerpäckchen einen Turm. Maria zündete sich eine Zigarette an.
»Die Partnerin von der Stein, die heißt doch irgendwas mit Haus. Steht sie im Adressbuch?«
Phillip begann eine Melodie zu pfeifen, während er blätterte. Es war eine Nummer aus den 80er Jahren, das erkannte Maria sofort. Im Geiste summte sie mit. Natürlich, es war ein Hit der Neuen Deutschen Welle, dieses »Maria Magdalena«. Maria grinste. Das Unterbewusstsein war schon etwas Tolles.
»Sag, Josef, was war noch mal ungefähr die Todeszeit?«
Josef schrak hoch, blickte auf die Uhr und begann, sich die Jacke anzuziehen.
»Ungefähr zwischen zwei und fünf Uhr früh. Zu Mittag weiß ich Genaueres. Ich muss jetzt gehen.«
Hektisch kramte er nach seiner Geldbörse. Maria legte ihm die Hand auf den Arm. Josef verharrte, sah sie aber nicht an.
»Ich zahl schon.«
Josef sah Maria an. Und sie wusste in diesem Augenblick, dass er nicht glücklich war. Sie konnte in seinen Augen förmlich lesen, worunter er litt. Margit entglitt ihm, weil er ihr keine Kinder schenken konnte. Josef nickte Maria kurz zu und lief aus dem Café. Phillip blickte vom Adressbuch auf und Josef
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