Die Namensvetterin: Kriminalroman (Krimi im Gmeiner-Verlag) (German Edition)
wurden Schritte hörbar.
»Ich komme schon. Das ist aber schnell …«
Dornhelm öffnete die Tür.
»Ach, ich dachte, es ist Doris … Frau Hornschweig, eine Nachbarin, die manchmal …«
»Wir wissen, wer sie ist. Sie war dabei, als wir Ihnen heute früh die Nachricht überbracht haben, und …«
»Ja, das hat sie mir erzählt, aber ich kann mich nicht daran erinnern.«
»… und jetzt haben wir sie am Haustor getroffen.«
»Ich hatte gestern wirklich zu viel. Frau …?«
»Kouba … und Herr Roth.«
»Entschuldigen Sie, ich war heute Nacht nicht aufnahmefähig. Kommen Sie doch herein. Wollen Sie auch einen Kaffee? Zum Essen habe ich leider nichts, weil Babe und ich wollten … eigentlich … ein paar Tage … wegfah …«
Dornhelm presste die Augen zusammen und atmete tief durch. Doch es nützte nichts. Die ersten Tränen drangen durch die Wimpern. Er sog noch einmal Luft durch die Nase – der Erfolg war ein Weinkrampf. Maria hatte noch selten einen Mann so weinen gesehen. Und er schien sich nicht einmal wie alle anderen zu genieren. Sie reichte ihm ein Taschentuch. Wenn das so weiterging, musste sie sich eine Vorratspackung besorgen. Diesmal jedoch war der Anfall nur kurz. Er schnäuzte sich und begann, das Taschentuch nervös zu zerfleddern.
»Okay, es geht wieder. Ich kann jetzt wieder Ihre Fragen beantworten, obwohl ich denke, dass ich Ihnen in der Nacht bereits alles gesagt habe, was ich weiß.«
»Das stimmt so nicht. Sie haben uns angelogen.«
Dornhelm starrte Phillip verständnislos an, dann suchte er Rat bei Maria, die mit ihrem Blick aber auch nichts verriet.
»Ich verstehe nicht … wobei … habe ich gelogen?«
»Das wissen Sie doch ganz genau. Jetzt rücken Sie schon mit der Wahrheit heraus. Die Polizei wird nicht gerne angelogen.«
Maria musste sich von Dornhelm abwenden, damit er nicht sah, wie genervt sie von Phillip war. Das war typisches 08/15-Django-Gebrabbel gewesen. Nicht nur die Polizei wird nicht gerne angelogen.
»Warum sollte ich lügen? Ich habe nichts zu verheimlichen. Ich habe Ihnen alles gesagt, bis hin zu Babes erotischen Ausflügen … auch wenn ich dadurch in Ihren Augen, Herr Roth, wie ein Vollidiot dastehen sollte. Warum sollte ich lügen? Können Sie mir das sagen? Ich habe Babe geliebt, und ich will, dass man ihren Mörder findet. – Wenigstens das, wenn schon so … mein Leben … seinen Sinn …«
Dornhelm schluckte würgend – und hatte diesmal Erfolg. Doch die Augen waren schon wieder glasig.
»Herr Dornhelm, ich verstehe Ihren Schmerz. Aber Sie haben uns trotzdem definitiv angelogen.«
»Ich wüsste nicht …«
»Verdammt, Sie haben sie gestern Abend noch gesehen, Sie waren bei ihr, und zwar genau zwischen dem Ende von ›Akte X‹ und dem Ende von der ›ZiB 2‹, also gut fünfunddreißig Minuten. Das wissen wir. Dank Frau Klug. Das wissen wir sicher.«
Dornhelm starrte ihn an, als wäre Phillip von allen guten Geistern verlassen. Dann suchte er die Bestätigung in Marias Augen – und erhielt sie. Er wurde der Inbegriff von Fassungslosigkeit, und sein Gehirn begann zu arbeiten.
»Hören Sie, ich weiß nur, dass ich um viertel sieben, nachdem wir telefoniert hatten, begonnen habe, den Rotwein auszutrinken, den wir am Vorabend aufgemacht hatten. Es war schlimm. Es wurde mit jedem Mal schlimmer … je mehr ich sie liebte. Am Anfang unserer Beziehung hatte ich mit … ihren Ausflügen überhaupt kein Problem. Jeder Mensch ist frei. Und Beziehungen können nur Abkommen sein. Man kann niemanden zu etwas zwingen. Auch nicht zur Treue. Und auf ihre Art war sie mir ja treu.«
»Dieser Scheiß hat schon in den Siebzigern nicht funktioniert.«
»Es kommt auf die Menschen an, ob dieser ›Scheiß‹ funktioniert, Herr Roth.«
»Das sieht man ja bei Ihnen. Zuerst haben Sie sich angesoffen, und dann haben Sie sie umgebracht … anstatt sie zum Teufel zu schicken. Aber wahrscheinlich waren auch gekränkte Ehre und der Zusammenbruch ihrer Traumwelt daran schuld. Sie können ja nicht wie ein normaler Mann eine Stinkwut empfinden, Sie müssen ja wie ein abhängiges Baby lamentieren. Und weil Sie doch noch irgendwo so was wie Stolz haben, drehen Sie durch und schlachten sie ab.«
»Ich dachte, sie ist erstickt?!«
»Herr Roth hat das nur bildlich gemeint.«
»Sie verheimlichen mir etwas. Wie ist Babe gestorben?«
»Herr Dornhelm, darüber reden wir später. Jetzt beantworten Sie unsere Frage. Warum haben Sie uns nicht gesagt, dass Sie
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