Die Namensvetterin: Kriminalroman (Krimi im Gmeiner-Verlag) (German Edition)
unter falschem Namen – Maria stoppte sich.
»Und gestern Abend haben Sie sich vorgestellt, dass der Polster Frau Stein ist?«
»Ja, ich habe geschrien und auf sie eingeschlagen, und dann … habe … ich einen Weinkrampf bekommen.«
»Der Kurs war anscheinend erfolgreich auf der ganzen Länge.«
»Herr Roth, Ihr Zynismus sagt mir, dass Ihr emotionaler Haushalt auch nicht ausgewogen ist. Vielleicht täte Ihnen …«
»Mit mir ist alles in Ordnung, Sie Klugscheißer.«
»Entschuldigen Sie, das geht mich natürlich nichts an. Ja, also … also ich habe auch weinen gelernt. Ich muss zugeben, dass ich momentan ein bisschen leicht weine …«
»Ha, ein bisschen!«
»… das haben Sie beide ja sicher schon bemerkt.«
»Wie auch immer, Herr Dornhelm, was geschah dann?«
Dornhelm dachte nach, sichtlich angestrengt und bemüht. Ein Stoßseufzer, ein Ausatmer, ein ratloser Blick zu Maria.
»Dann … weiß ich nichts mehr. Irgendwann während des Weinkrampfes hat es klick gemacht.«
»Das heißt, Sie können sich auch nicht an Ihren Besuch bei Frau Stein erinnern?«
»Da ist nur so ein verschwommenes Bild von … einem … Geschlechtsakt. Aber das könnte auch ein Traum sein. – War es aber nicht, habe ich Recht?«
Maria zündete sich eine Zigarette an und qualmte besonders stark. Sie wollte nicht, dass Dornhelm ihre Augen sah, denn dann würde er darin lesen, dass sie ihn für unschuldig hielt. Gut, es sprach alles gegen ihn – Eifersucht, Alkohol, kein Alibi, und dann war er auch noch dazu ein introvertierter Mensch, der erst vor kurzem gelernt hatte, seine Emotionen zu zeigen. Vielleicht konnte er sie nun nicht mehr beherrschen? Aber diese Liebe! Nun ja, auch andere Männer hatten ihre Frauen schon aus Liebe umgebracht. Das war kein Argument. Vielleicht war es wirklich. Doch dann bräuchte man ihn gar nicht mehr ins Gefängnis werfen, denn das Wissen um seine Tat würde ihn zerbrechen. Das wäre Strafe genug. Das dachte sie sich oft bei Verbrechen aus Leidenschaft. Nur wusste sie, dass solche Taten Konsequenzen haben mussten. Denn das Wissen um die Strafe und die Ächtung durch die Gesellschaft hatten die Menschen verinnerlicht, und so war ihre Hemmschwelle höher geschraubt – seit Jahrtausenden. Außerdem konnten die Rachegelüste der Menschen, von denen es nur ein kurzer Weg zur Lynchjustiz war, nur so im Zaum gehalten werden. Maria erinnerte sich an den Film »Dead Man Walking«. Sie würde nie vergessen, welch befriedigte Gesichter die Angehörigen der Mordopfer hatten, als Sean Penn für die Hinrichtung angeschnallt wurde. Das hatte sie geschockt. Die Zivilisation schien Maria oft nicht mehr zu sein als die brüchige Schicht einer Maske. Und den gleichen hasserfüllten Ausdruck bemerkte sie, als die Qualmwolke sich verzogen hatte und sie in Phillips Augen sah. Auch wenn sie es besser wusste, sie musste Dornhelm offiziell verdächtigen.
»Herr Dornhelm, wir brauchen von Ihnen eine Spermaprobe und Ihre DNA. Ich muss Sie bitten, mit ins Präsidium zu kommen.«
»Ich habe sie nicht umgebracht.«
»Ja, das wissen wir schon. Nur, es schaut nicht gut für Sie aus, Sportsfreund.«
»Spermaprobe und DNA?«
»Frau Stein hatte Geschlechtsverkehr gehabt, und sie hatte Hautreste unter ihren Nägeln. Wir untersuchen sie gerade.«
»Sie haben mir nicht alles über ihren Tod gesagt.«
»Nein, aber ich denke, dass wir bald darüber reden können.«
Dornhelm nahm eine Jacke, schaltete den Anrufbeantworter ein, schrieb eine Notiz für die gute Seele Doris und öffnete die Tür.
»Auch wenn ich nichts mehr über den Abend weiß, so weiß ich doch, dass ich es nicht getan habe.«
Phillip verließ mit einem bösen Grinsen als Erster die Wohnung.
»Vielleicht fällt Ihnen ja was ein, wenn Sie die Leiche sehen.«
»Ich kann Ihnen nur sagen, Sie folgen einem schweren Irrtum.«
Maria konnte es nicht sagen, aber sie war Dornhelms Meinung.
Josef zog die Leiche aus dem Kühlschrank. Obwohl sie noch bedeckt war, begann Phillip nervös, sich die Fingernägel zu putzen. Das war oft der Fall, dass Menschen Leichen am Tatort noch nicht als so schrecklich empfanden wie später in der Prosektur. Wahrscheinlich lag es daran, dass das Szenario am Tatort den meisten irgendwie bekannt vorkam, trainiert durch unzählige Stunden vor dem Fernseher. Es wirkte alles arrangiert und geschminkt. Aber in der Prosektur wirkte es dann plötzlich echt – sicher unterstützt durch den grauslichen Gestank, an den sich Maria
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