Die Namensvetterin: Kriminalroman (Krimi im Gmeiner-Verlag) (German Edition)
bitten … wenn es möglich ist, natürlich nur … sich zu entkleiden, damit die anderen Gäste nicht irritiert sind. Natürlich können Sie ein Handtuch anbehalten. Wenn Sie das nicht möchten, muss ich nur geschwind jemanden suchen, der kurz für mich übernimmt. Dann können wir dort in das Café gehen.«
Pflichtschuldigst drehte sich Maria um, wobei sie aus dem Augenwinkel Phillips bittenden Blick sah. Er wirkte wie ein Dackel vor einer Knackwurst. Maria sah das angesprochene Café – und sah es zugleich nicht. Sie wusste, irgendwo tief in ihrem offiziellen Gedächtnis, dass die Kaffeehausvariante die ziemliche und richtige gewesen wäre. Sie wusste, dass sie der Frau – zumindest momentan – alles glauben würde – und sie wusste – wie in Trance drehte sie sich wieder um – mit einem Lächeln, über das sie selbst erstaunt war, so souverän schien es ihr zu sein.
»Aber nein, machen Sie sich doch keine Umstände. Ausziehen ist für uns ja überhaupt kein Problem. Wir wollen Ihre Gäste auf keinen Fall irritieren, denn gegen Ihren Club liegt ja nichts vor.«
Mit einem unbestimmbaren, leisen und wunderschönen Lachen öffnete die Frau die Tür weit.
Maria starrte auf den Schlüssel in ihrer Hand. Sie konnte noch umkehren. Sie stand noch angezogen da und konnte noch umkehren, diese Frau einfach aufs Kommissariat bestellen und umkehren. Maria steckte den Schlüssel ins Schlüsselloch. Sie würde sich einfach ausziehen und das Handtuch um den Körper wickeln. War doch wirklich nichts dabei. Sie war schon oft genug in der Sauna gewesen. Maria drehte den Schlüssel um und öffnete den Spind. Sie stellte die Tasche hinein und schlüpfte aus den Schuhen. Sie zog langsam ihre Jacke aus und hängte sie auf den Kleiderbügel. Sie öffnete ihren Gürtel und schließlich die Hose. Sie schloss die Augen. Sofort sah sie wieder das wunderschöne, platinblonde Haar der Frau, sie sah sofort wieder den weichen Gang der Frau, roch ihr Parfum. Maria riss die Augen auf. Nein, sie musste gehen. Sie öffnete den Mund, um Phillip, der im Nachbargang sein Kästchen hatte, Bescheid zu geben. Aber es kam kein Ton heraus. Erstaunt sah sich Maria zu, wie sie nun in unglaublicher Geschwindigkeit Leibchen, Socken und Höschen auszog. Dann sah sie erstaunt auf ihren nackten Körper. Die Brustspitzen standen waagrecht. Jeder Muskel schien angespannt. Sie spürte Wärme zwischen ihren Beinen und – schlug mit aller Kraft gegen den Spind.
»Chef, alles in Ordnung?«
»Alles okay.«
»Ich bin dann so weit. Brauchen Sie noch lange?«
»Nein, nein. Ich komme gleich.«
Der kurze Dialog hatte sie wieder ein wenig in die Realität zurückgeholt. Was war schon dabei. Beim Hereinkommen hatte sie gesehen, dass es einen neutralen Bereich gab, mit einer Bar und Sitzgelegenheiten. Und die Gäste waren alle mit einem Handtuch bekleidet. Die – Aktionen – fanden allesamt anscheinend in diversen Zimmern statt. Sie konnte also in Ruhe – diese Frau befragen. Ein Kaffee, ein paar Fragen, und das war’s. Energisch schloss sie das Kästchen, kontrollierte noch einmal den Sitz des Handtuches und ging um die Ecke. Und da stand Phillip. In seiner vollen Schönheit. Maria drehte am Stand um.
»Ich habe … nur meine … Uhr vergessen.«
Was sollte das alles?! Sie hatte eindeutig und definitiv einen Notstand, denn ihre Unkontrollierbarkeit war ja schon beinahe lächerlich. Sie atmete tief durch und ging wieder zu Phillip. Der sah sie an und schaute zugleich weg. Er konnte seine Neugier nicht verbergen, der geschäftliche Blick war mehr als durchsichtig. Geschwind schlüpfte Maria an ihm vorbei. Sollte er sie doch anstarren, dann wusste er wenigstens, was er versäumte. Sie wollte ihn nicht sehen. Nicht, bevor sie nicht kalt geduscht hatte. Oder im Fitness-Studio gewesen war. Warum hatte sie sich bloß erst für heute Abend mit Josef verabredet! Einen ganzen Tag noch diese Spannung! Sie brauchte so dringend einen Mann, dass es schon weh tat. Eilig ging sie in Richtung Bar – und kam dabei wieder an diesen Kojen vorbei. Vor einer stand ein Pulk Männer und starrte durch zwei kleine Fenster ins Innere. Eindeutige Geräusche waren vernehmbar. Maria zwang sich, daran vorbeizugehen. Ein Mann sah sie an – so eindeutig, dass ihr erneut heiß wurde. Sie wurde langsamer und schaute zurück. Was mache ich da, schoss es ihr durch den Kopf. Der flirtet ja nicht einmal mit mir, der will mich nur flachlegen. Und diese Geräusche.
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