Die Namensvetterin: Kriminalroman (Krimi im Gmeiner-Verlag) (German Edition)
es schon lange nicht mehr gewesen war. Und seltsamerweise empfand sie keine Scham. Es war doch eigentlich nichts anderes als die Begegnung zweier Fremder im Zug gewesen. Intensiv und verantwortungsfrei. Locker ging sie zur Bar.
Phillip saß zu Marias Überraschung bereits dort und klammerte sich an einem Glas mit Orangensaft fest. Unsicher – nein, gequält –, nein, jetzt wusste sie es, nicht so entspannt wie sie selbst – ja, das war es –, lächelte er ihr entgegen. Auch Christina Wrenk sah ihr entgegen, und Maria war sich sicher, dass diese Frau spürte, was vorgefallen war. Ihr Blick war sirenenhaft. Doch Maria spürte noch die Stärke des eben Erlebten in sich und konnte die Signale der Frau abwehren. Sie schlug einen leichten Ton an.
»Sagen Sie, wollen die Leute nicht manchmal ungestört auf der Toilette sein?«
»Oh, Sie haben die falsche erwischt. Sie hätten sich rechts halten müssen, da sind die … normalen Toiletten, die anderen sind für gewisse Vorlieben.«
»Wieso, was ist mit den Toiletten?«
Maria hatte das Gefühl, als ob Phillip der Geifer aus dem Mund rinnen würde, so behäbig sprach er. Warum hatte er nicht auch Hand an sich gelegt? Maria erschrak. Noch vor einer halben Stunde wäre sie von so einer Vorstellung geschockt gewesen. Jetzt gönnte sie es ihm – und auch sich. Und auch noch mehr. Nein, sie musste so schnell als möglich hier raus, bevor sie noch etwas tat, was sie wahrscheinlich morgen bereute. Selbstanalyse. Sie hatte ›wahrscheinlich‹ gedacht, war sich also gar nicht mehr sicher, ob sie – was sollte das alles? Sie hatte eine Untersuchung zu führen. Christina Wrenk antwortete Phillip an ihrer statt.
»Nun, einige Toiletten sind mit Fenstern ausgestattet, weil es manche Menschen erotisierend finden, andere … dabei zu beobachten. Sozusagen die Vorstufe zu Sekt und Kaviar.«
»Was? Zu …?«
Phillip stand offensichtlich auf der Leitung, das wusste ja sogar Maria, was das bedeutete. Und schon kam auch etwas von Erkennen in seine Mimik.
»Gut, Frau Wrenk. Wir sind hier nicht, damit mein Kollege Nachhilfeunterricht bekommt« – wütender Blick seitens Phillip –, »sondern wir müssen Sie leider zum Mord an Frau Stein befragen.«
»Natürlich. Ich helfe Ihnen, wo ich nur kann. Babette und ich … haben uns sehr gut verstanden.«
»Haben Sie auch mit ihr gefickt?«
Maria krampfte sich wieder einmal ein. Wenn Unsensibilität einmal verbildlicht werden sollte, dann mit dem Konterfei von Phillip.
»Herr …?«
»Roth, mein Kollege heißt Phillip Roth. Und entschuldigen Sie bitte seine … etwas direkte Art. Er hatte gestern eine lange und anstrengende Nacht. Er ist ein bisschen angespannt.«
Phillip nahm die Zurechtweisung relativ gelassen hin, und Maria wusste auch gleich, warum: Eine äußerst hübsche, rothaarige Frau kam den Gang entlang. Phillip versuchte, sie nicht anzustarren, was ihm aber nicht ganz gelang.
»Herr Roth, soviel ich weiß, ist die Dame alleine hier. Sie sucht einen geeigneten Partner. Ich denke, sie freut sich sicher, wenn Sie sie ansprechen.«
Phillip hatte schlagartig den Blick eines gejagten Kaninchens. Mit offenem Mund versuchte er zu ergründen, ob die Wrenk es ernst gemeint hatte. Hatte sie offensichtlich. Dann sah er Hilfe suchend zu Maria.
»Phillip, Sie wollten doch einmal in so einen Club, gönnen Sie sich ruhig den Spaß, ich kann die Befragung auch alleine durchführen. So lange werden Sie ohnehin nicht brauchen, oder?«
Diese Spitze holte Phillip von seinem Testosteronpegel herunter. Wenn er gekonnt hätte, hätte er Maria wahrscheinlich gewürgt.
»Nein, Chef, das würde zu lange dauern, und wir haben heute noch einige Termine. Ich will doch nicht, dass Ihnen langweilig ist.«
Die Wrenk sah zwischen den beiden hin und her und setzte ein Grinsen auf. Maria hatte es satt. Anscheinend wusste es jeder. Aber sie lagen alle falsch, sie würde mit Phillip nie, aber auch nie ins Bett gehen.
»Na fein, dann können wir uns ja endlich auf unsere Arbeit konzentrieren. – Also Frau Wrenk, Sie kannten Frau Stein ziemlich gut, wenn man so sagen kann.«
»Ja, wir haben … miteinander gefickt, wie Ihr Kollege das so nett ausgedrückt hat. Ich wollte mir ihr zusammenziehen, doch leider …«
»Meinen Sie, sie wollten so richtig zusammenleben, wie zwei Lesben?«
»Herr Roth, ich bin eine Lesbe. Und Babette ist … war … bisexuell. Ich hatte mit ihren Männern aber nie Probleme. Und ab und zu haben wir es
Weitere Kostenlose Bücher