Die Nanokriege - Die Sturmflut
Gesellschaft entstand, wo die Frauen fast ausnahmslos sozusagen beweglicher Besitz und Bürger zweiter Klasse waren. Selbst in den meisten Sammler-und Jägergesellschaften, auch wenn es ein paar Arbeiten gibt, die diese unangenehme Tatsache widerlegen möchten. Und dann, als sich allmählich die Technik entwickelte, haben die Frauen sich plötzlich emanzipiert. Was folgerst du daraus?«
»Dass du Bescheid weißt und es mir einfach nicht sagen willst«, meinte Megan fast ärgerlich.
»Der Weg zum wahren Verständnis besteht darin, die Frage selbst zu beantworten«, versetzte Mirta, ohne ihre Näharbeit zu unterbrechen.
»Und eine Reise über tausend Meilen endet oft schlimm«, erwiderte Megan in versöhnlichem Ton. »Aber ich habe, glaube ich, verstanden, was du meinst; die technische Entwicklung hat den Unterschied herbeigeführt. Aber das ist eine Antwort, die mir nicht gefällt.«
»Okay, sehen wir uns doch einmal die augenblickliche Situation an«, meinte Mirta. »Betrachte die Dinge einmal vom wirtschaftlichen Nutzen aus. Die Basis des wirtschaftlichen Geschehens hier ist Landwirtschaft in kleinem Maßstab und Schafzucht. Was tun Kleinbauern?«
»Sie pflügen und sie ernten?«, fragte Megan.
»Viel mehr als das. Aber lassen wir es dabei. Was brauchen beide?«
»Einen Ochsen?« Megan lachte, nahm einen Schluck von ihrem Kräutertee und überlegte dann. »Ich weiß es nicht. Ich habe bisher weder das eine noch das andere getan.«
»Sie brauchen ziemliche Kraft im Oberkörper«, erwiderte Mirta. »Einen Pflug gerade zu halten verlangt ständige
Anpassung, und das bedeutet, dass man einen ziemlich schweren Brocken aus Holz und Metall häufig anheben und wieder in die Furche bringen muss. Und je schneller man pflügen kann, desto mehr kann man pflügen und desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass man die Saat rechtzeitig in den Boden bringt. Oder zumindest mehr Saat. Nun sind Frauen trotz aller genetischen Basteleien im Oberkörper schwächer als Männer. Und wir Frauen halten auch schwere körperliche Anstrengungen nicht so lange aus wie Männer. Männer können pflügen oder eine Sense schwingen, wenn Frauen gleicher Größe und vergleichbarer Kondition schon lange umgefallen sind. Heute sind Frauen dank genetischer Manipulationen in beiden Bereichen stärker. Aber auch bei Männern ist diese Stärke gewachsen. Auch die Schafzucht erfordert ein gehöriges Maß an Kraft: Solange du nicht einmal versucht hast, ein Schaf zu scheren, hast du nicht richtig gelebt. Ballen mit Futter oder Wolle heben, mit einer Sense mähen, das alles sind Dinge, die Männer besser können als Frauen. Eine Frau und zwei oder drei Männer können eine Farm führen, aber die gleiche Farm würde sechs oder sieben Frauen erfordern, wenn sie keinen Mann hätten. Und Frauen brauchen ebenso viel Nahrung wie Männer. Die Arbeit, die Frauen in der Kultur leisten, ist wichtig, aber alles, was sie tun, mit Ausnahme des Kinderkriegens, können Männer besser. Frauen bekommen die Aufgaben, die man ihnen zuteilt, also sich um das Haus zu kümmern, Essen kochen und nähen, weil sie die anderen Aufgaben nicht so gut erledigen können wie Männer. Im Großen und Ganzen und im Durchschnitt gesehen natürlich.«
»Das gefällt mir nicht«, sagte Megan. »Es gefällt mir ganz und gar nicht.«
»Das mag ja so sein«, seufzte Mirta. »Nur, dass es nicht darauf ankommt, ob es dir gefällt oder nicht. Es ist jedenfalls
die Wahrheit. Nun ist es in manchen Gesellschaften möglich, in Ropasien in gewissem Maße und nach allem, was ich gehört habe, in größerem Maße in Norau, die Auswirkungen dieser relativen … Wertlosigkeit der Frauen auszugleichen, und ich benutze dieses Wort ganz bewusst. Es gibt dort wirtschaftlich wichtige Aufgaben in der Verwaltung, der Entwicklung, als Schreiber und dergleichen, die Frauen ebenso gut wie Männer bewältigen können. Wenn man es ihnen erlaubt. Ropasien war allerdings auf dem besten Weg, Frauen aus solchen Tätigkeiten zu verdrängen. Solange Sheida Königin von Norau ist, werden sie das sicher nicht tun, und ich habe natürlich keine Ahnung, wie das auf lange Sicht sein wird. Aber hier ist es anders. Die Menschen hier kämpfen ums Überleben; sie haben keine Aufgaben für Schreiber oder Fabrikarbeiter. Und die wichtigsten Leute überhaupt sind nicht die Bauern oder die Schafscherer, sondern Kämpfer , Leute, die einen Schild halten, ein Schwert schwingen und dem Angriff der Gewandelten standhalten können.
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