Die Nanokriege - Die Sturmflut
führte den Drachen die Plattform hinunter, und er hopste aufs Hauptdeck und nahm automatisch Kurs auf seinen Verschlag. Solche Verschläge gab es auf dem Hauptdeck zwei, sehr zum Missvergnügen von Skipper und Mannschaft, und Vickie entschied sich für den auf der Backbordseite. Sie stieg vor dem Verschlag aus dem Sattel, nahm dem Flugdrachen das Zaumzeug ab und führte ihn hinein. Es lag noch kein Futter bereit, und deshalb schüttelte sie den Kopf und ging welches suchen.
Später saß sie in der Messe und starrte einen Teller Erbsensuppe an, als der Skipper den Raum betrat.
»Willst du die Suppe essen oder sie bloß anstarren?« Das Zweite, was den Leuten immer an Skipper Some Karcher auffiel, war, dass sie klein war. Nicht gerade ein Zwerg, aber deutlich unter Normalmaß. Als Erstes bemerkten die Leute, dass sie wie eine Siamkatze aussah. Kopf und Gesicht wirkten eindeutig katzenähnlich, irgendwie wie ein Apfel, mit aufwärts geschlitzten Augen. Ihr Haar war gefleckt wie das einer Siamkatze, ihr Gesicht mit feinem Pelz bedeckt und ihre Augen grün, beinahe wie Smaragde, mit senkrecht stehenden, ovalen Pupillen. Jetzt musterte sie die Drachenreiterin mit zusammengekniffenen Augen, wobei sich ihre Pupillen zu kleinen Punkten zusammenzogen.
»Ich dachte gerade, wie sehr diese Suppe mich an die Waschküche dort draußen erinnert«, sagte Vickie und griff nach ihrem Löffel. »Ich meine, wie das Zeug, durch das ich gerade geflogen bin.«
»Ich habe über diese Landungen nachgedacht«, erwiderte Karcher. »Mir sind die wirklich zuwider.«
»Ganz bestimmt nicht, wie wenn man auf dem Drachen sitzen muss, Ma’am«, meinte Vickie grinsend.
»Und mir ist es wirklich zuwider, auf dem Achterdeck nicht in den Himmel sehen zu können«, fuhr Karcher fort. »Und deshalb habe ich mich gefragt, weshalb man die Plattform nicht hinter dem Schiff anbringt?«
Vickie setzte zu einer Antwort an, klappte den Mund auf, aber dann gleich wieder zu. Nach kurzer Überlegung schüttelte sie verärgert den Kopf.
»Weil keines dieser Genies in der Werft daran gedacht hat, Ma’am«, erwiderte sie und zog eine Schnute. »Glaubst du, das würde funktionieren?«
»Ich wüsste nicht, warum es das nicht sollte«, meinte Karcher mit einem Achselzucken und gab dann ein summendes Geräusch von sich, das verdächtig nach einem Schnurren klang. »Wir müssten die Plattform natürlich irgendwie verstärken, aber das wäre kein Problem. Ihr startet ja schließlich dort hinten. Das würde es wesentlich einfacher machen. Und das ist nicht etwa meine Idee, einer meiner Seeleute ist darauf gekommen. Ein klasse Matrose! Möchte, wie mich dünkt, Reiter werden.«
»Wie heißt er denn?«, fragte Vickie, zog ein Notizbuch heraus und wickelte es aus seiner Gummihülle. »Wir sind wirklich knapp an Reitern, Ma’am.«
»Fink«, erwiderte Karcher. »Übrigens ist es eine Sie.«
»Also, Ma’am, dann sag ihr , dass sie jederzeit anfangen kann, vorausgesetzt natürlich, du genehmigst die Versetzung, sobald sie an Land kommt«, erklärte Vickie. Sie legte den Kopf etwas zur Seite, wollte etwas sagen, zuckte dann aber die Achseln.
»Ja, Reiter?«, fragte Karcher, deren Katzenlächeln es unmöglich machte, in ihren Gesichtszügen zu lesen.
»Ich habe mich gefragt …«
»Ob ich vor dem Zusammenbruch gewandelt habe?«, beendete
Karcher den Satz mit eigenartiger Betonung. Es klang wie ein Miauen. »Nein, das habe ich nicht. Ich bin schon so zur Welt gekommen. Willst du die ausführliche Geschichte oder die Kurzversion?«
»Das kommt darauf an, was dir passend erscheint, Ma’am«, antwortete Vickie etwas verlegen. »Ich will ja nicht neugierig sein.«
»Es war einmal vor langer Zeit ein Wissenschaftler, der offen gestanden einen kleinen Knacks hatte. Das war ganz zu Anfang der Zeit, als Wandlungen möglich wurden. Aber der Wissenschaftler wollte sich nicht selbst in eine Katze wandeln. Er wollte, dass seine Katze ein Mensch werden sollte.«
»Oh«, machte Vickie noch verlegener.
»Und, ja, er wollte das aus dem Grund, an den du denkst. Und das war, bevor die Protokolle in Kraft traten, die so etwas verhinderten, und deshalb hat er seine Katze in einen vernunftbegabten Humanoiden gewandelt. Und der Rest der Geschichte sollte wohl so sein, dass die beiden sich dann ineinander verliebt und fürderhin glücklich miteinander gelebt haben.«
»Ja«, nickte Vickie, der es jetzt ungemein Leid tat, dass sie gefragt hatte.
»Nun, die Geschichte lief nicht ganz
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