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Die Nanowichte

Die Nanowichte

Titel: Die Nanowichte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrew Harman
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vom Platz!«
    Das Spiel wurde kurz unterbrochen, das jüngste Kriegsopfer wurde vom Platz geschleift.
    Merlot nahm sich triumphierend das nächste Glas Wein und wedelte fröhlich mit seinem Schal. Wirklich ein mörderisches Spiel! Ganz hervorragend! Eine Sekunde lang schweiften seine Gedanken von dem Spektakel auf dem Spielfeld ab, er fragte sich wieder einmal, wer es wohl gewesen war, der ihm das alles spendiert hatte. Er mußte es unbedingt herausfinden, mußte sich bei seinem Gönner in aller Form bedanken. Er stand auf, drehte sich um, griff nach der Türklinke und …
    Plötzlich herrschte große Aufregung auf dem Spielfeld. Merlot hörte hinter sich begeistertes Geschrei, hörte Buhrufe – der Ersatzspieler kam auf den Platz. Der Magier spürte, wie ihn die Neugier packte, er zuckte die Achseln und drehte sich wieder um. Er mußte unbedingt feststellen, wer dieser Ersatzspieler war. Und wer ihm die Tickets geschenkt hatte, das konnte er auch später einmal klären. Das hatte Zeit. Viel Zeit. Bei den vielen Verletzungen würde es sicher eine satte Verlängerung geben.
     
    Kaum war die Tür aufgesperrt, da stürmte ein Kunde, der einen goldgelben Umhang trug, in das Wettforum Guldenburg, fuchtelte mit einem Silbergroschen und trampelte, blind vor Aufregung, den Besitzer nieder.
    »Alles auf Kugelblitz! Im ersten Rennen!« Der Schalter, an dem Quintzi Cohatl sein Wettgebot abgab, war leer.
    »Was?« knurrte Doz Ysher, rappelte sich vom Boden auf und putzte sich die Fußspuren vom Kittel. Seine Nase zitterte. Da wollte doch tatsächlich jemand eine Wette abschließen! Und auch noch freiwillig! Ein gutes Zeichen, es schien wieder aufwärtszugehen!
    Quintzi fuhr herum. »Kugelblitz! Alles auf Kugelblitz im ersten Rennen! Nun machen Sie schon! Nehmen Sie endlich das Geld! Es geht bald los!«
    »Ist das Ihr Ernst?« Doz Ysher spazierte hinter den Schalter. »Dieses Kamel ist doch ein absoluter Blindgänger!«
    »Wollen Sie jetzt mein Geld, oder wollen Sie’s nicht?«
    »Wenn Sie’s unbedingt loswerden wollen – bitte schön! Aber deswegen auch noch einen Wettschein ausfüllen – also das würde ich mir an Ihrer Stelle sparen.« Doz Ysher kicherte boshaft. Es war doch immer wieder das gleiche: Kaum hatte er am Morgen den Laden aufgemacht, drängte ihm eine Meute wildgewordener Hasardeure ihr Geld auf. Alle waren sie fest davon überzeugt, daß heute ihr Glückstag war, und alle setzten sie ihre letzten Groschen auf irgendwelche Totalversager. Was ihm natürlich nur recht war. Der Gewinn, den er in den ersten drei Stunden am Vormittag machte, reichte für die Kundschaft, die am Nachmittag kam: für die Klugscheißer, die monatelang alles über ›Form und Kondition‹ studiert hatten; die Bescheid wußten, wie es um das ›Geläuf‹, um die Bodenverhältnisse von Rennplatz und Parcours stand; die (und das waren die allerschlimmsten) immer ganz genau sagen konnten, was einträglicher war: neun zu vier auf den Favoriten setzen oder zehn zu eins. Oder andersrum. [16] Als Doz Ysher sah, daß in Quintzis Augen ein irres Leuchten flackerte, da wußte er, daß er einen todsicheren Gewinn erwarten durfte.
    Quintzi füllte hastig einen Pergamentschein aus, hielt ihn dem Buchmacher unter die Nase und drückte ihm ungeduldig seinen Groschen in die feiste Hand.
    »Ein Silbergroschen auf Kugelblitz und … Wie bitte?« Doz Ysher grinste. »Das kann doch nicht Ihr Ernst sein? Der gesamte Gewinn auf Schwarze Tulpe im zweiten Rennen? Auf Sieg? Wohl intensives ›Formstudium‹ betrieben, hä, hä, hä!« Der Buchmacher verstaute den Groschen achtlos in seiner Kitteltasche und spießte den Wettschein auf den Sechs-Zoll-Nagel, der durch einen Holzblock getrieben war und auf dem Schalter stand.
    »Nein. Ich weiß ganz einfach, daß das Glück auf meiner Seite ist.« Quintzi grinste und streichelte die Kristallkugel, die in der Tasche seines Umhangs versteckt war. Dann griff er noch einmal zum Federkiel, nahm ein neues Wettformular und kritzelte wieder ein paar Namen und Rennzeiten aufs Pergament.
    »Ich will Ihnen ja Ihre Träume nicht nehmen«, feixte Doz Ysher, als er sich die Aufstellung ansah, »aber Höckriger Hampel hat schon seit fünf Jahren nichts mehr gewonnen. Mal abgesehen von dieser Tombola vor zwei Jahren.«
    »Trotzdem!« Quintzi starrte ihn herausfordernd an, schlurfte davon und wartete auf die Wettergebnisse aus dem ersten Rennen.
    Eine halbe Stunde später war es soweit. Er hörte müdes Geflatter, dann das

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