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Die Nanowichte

Die Nanowichte

Titel: Die Nanowichte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrew Harman
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Boxerkrabben etwas sehr, sehr Unangenehmes zustoßen wird, wenn Sie mir jetzt nicht gleich das gesamte Bare aushändigen. Und mit ›einigen Boxerkrabben‹ meine ich zehn ganz bestimmte Boxerkrabben: die, die gegenwärtig in diesen Becken da drüben« – er zeigte abschätzig nach links – »auf den Einsatz zum Kampf warten.«
    Wie ein Mann holte die Menge jetzt tief Luft. Man hatte das Geräusch splitternder Balken noch allzugut in Erinnerung oder hatte zumindest gerüchtweise davon gehört.
    »Soll das eine Drohung sein?« fragte Doz Ysher mürrisch.
    »Eine Drohung? O nein, ganz und gar nicht. Ich habe nur so ein Gefühl, ein ›komisches‹ Gefühl, wie man vielleicht sagen könnte. Und mit jeder Minute, die Sie verstreichen lassen, je länger Sie sich weigern, mit dem Geld herauszurücken, um so stärker wird dieses komische Gefühl. Um so wahrscheinlicher scheint es mir, daß ein Unglück passieren wird. Empfinden Sie es nicht auch so? Oder machen Sie sich überhaupt keine Sorgen? Sind Sie sich ganz sicher, daß das Glück auf Ihrer Seite ist?« Quintzi grinste hinterhältig, steckte einen Finger ins Ohr und rüttelte. Die Nanowichte ließen sich nicht lange bitten; sie wußten, was Quintzi vorhatte, und begannen aufgeregt zu summen.
    »Solange wir Sie nicht aus den Augen verlieren«, knurrte Doz Ysher und versuchte, sich nicht anmerken zu lassen, wie mulmig ihm war, »solange kann diesen Boxerkrabben überhaupt nichts …«
    »…passieren?« fiel ihm Quintzi ins Wort, hob eine ergrauende Augenbraue und schüttelte bedenklich den Kopf. »Haben Sie schon mal den Zustand dieses kleinen Landestegs da drüben überprüft? Auf dem die ganzen Fässer da liegen?« Er zeigte nach links. »Es wäre doch wirklich sehr bedauerlich, wenn dieser Landesteg … äh … unerwartet zusammenbräche; wenn alle die Krustentiere und Krabben von den herabstürzenden Fässern zerquetscht würden.«
    »Ausgeschlossen!« wimmerte Doz Ysher. »Dieser Landesteg steht schon seit dreihundert Jahren an dieser Stelle, fest wie …« Das Gefühl des Déjà-vu schnürte ihm die Kehle zu, die Erinnerung an eine sehr ähnliche Situation schoß ihm durch den Kopf. Nervös klopfte er sich den Mörtelstaub von den Schultern.
    Quintzi grinste. »Ich frage Sie noch einmal: Sie sind sich wirklich ganz sicher, daß das Glück auf Ihrer Seite ist?«
    Dem Buchmacher blieb der Mund offenstehen. Er war unentschlossen und wußte nicht, was er antworten sollte. Hier ging etwas sehr Merkwürdiges vor, etwas, das mit Wetten und Glücksspiel nichts zu tun hatte. Das gar nichts damit zu tun haben konnte, wenn man sich ansah, wie die Chancen für ihn standen.
    »Ich bin mir da ganz sicher! Ich mache mir überhaupt keine Sorgen«, flüsterte Cohatl und rieb sich erwartungsvoll die Hände.
    »Ich aber schon, verdammt noch mal!« schrie ein Mann. Er kämpfte sich durch die Menge, hatte eine Reihe klimpernder Ketten um den Hals hängen, protzige Ringe an den Fingern und paffte eine Zigarre: Harry Goldfyscher, Promoter und Veranstalter von Messen und Jahrmärkten, Festivals und Boxerkrabben-Turnieren schielte Quintzi durch eine immer dichter werdende bläuliche Rauchwolke an. »Zwanzigtausend, wenn der Landesteg intakt bleibt, okay?« brüllte der Veranstalter und schüttelte einen Geldsack. Er hatte genau gesehen, daß Quintzi ein Zeichen gegeben hatte. (Es war ganz eindeutig ein Zeichen gewesen – warum sollte sich jemand sonst so heftig im Ohr herumbohren?) Und da war ihm auf der Stelle klargewesen: Sabotage! Der Landesteg war vorsätzlich beschädigt worden! Angesägt, Schwelbrand gelegt, eineinhalb Tonnen Dynamit – was es genau war, interessierte ihn nicht. Ihn interessierte nur eines: das Turnier. Dieses verdammte Turnier mußte unbedingt stattfinden. Wenn es nicht stattfand, mußte er die einhunderttausend, die er von der Sportvorausschau im Fabelfernsehen kassiert hatte, wieder zurückzahlen.
    »Zwanzigtausend?« japste Quintzi und bemühte sich verzweifelt, keine Miene zu verziehen. »Das genügt vollauf!« Wie der Blitz schnappte er sich den Geldsack, drehte sich um und marschierte zielstrebig davon. Ein triumphierendes Lächeln huschte über sein Gesicht.
    Bis zum Bauch stand einer von Goldfyschers persönlichen Assistenten im schwarzen Morast und forschte auf der Unterseite des Landstegs nach Sabotagespuren.
    »Nichts!« schrie er.
    »Muß aber!« brüllte der Promoter kurz darauf wütend zurück. »Ich zahl doch nicht zwanzigtausend für nichts!«

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