Die Nanowichte
aufgerissen, als sähe er das Ende schon vor sich. »Ich habe es gesehen. Ich weiß zwar nicht wie, aber mein Wettforum … er …«
»Mann, Ysher! Jetzt halten Sie mal die Luft an! Was faseln Sie denn da? Vielleicht hat sich ja auch nur der Boden gesenkt! Wenn man bedenkt, wie nahe Ihr Bau am Bach gestanden hat, und Schlammboden ist bekanntermaßen …«
»Probleme bei der Entscheidungsfindung?« redete Quintzi grinsend dazwischen. »Es ist ja ein hochinteressantes Gespräch, das Sie da führen, aber … Könnten Sie vielleicht bald einmal zum Ende kommen? Es wäre doch schade, wenn Ihnen keine Zeit mehr bliebe, eine … äh … Katastrophe zu verhindern.« Er nahm den Bierkrug, spreizte den kleinen Finger geziert ab und genehmigte sich wieder einen Schluck.
»Sagen Sie ja!« drängte Doz Ysher, blickte ängstlich zur Decke und fürchtete, die ersten Risse zu sehen.
»Aber fünfundzwanzig Prozent?« stotterte Harloh, dem äußerst unbehaglich zumute war.
»Es lohnt sich! Glauben Sie mir, ich weiß es.«
»Aber es ist ein Haufen Geld …«
Plötzlich hörten sie einen Warnschrei, und dort, wo sich eben noch die Menge gedrängt hatte, war der Platz geräumt. Ein paar von den vormaligen Glücksspielern schüttelten sich wie wild und wischten sich – fieberhaft, als handle es sich um heißes Pech – den feinen weißen Staub vom Körper, während die anderen auf den leeren Fleck an der Decke starrten.
Im gleichen Augenblick sah Harloh – und dieser Anblick gab ihm einen Stich ins Herz –, Mörtelstaub von einem Balken rieseln.
»Hoppla«, kicherte Quintzi und ließ auffallend desinteressiert eine Kirsche in seinen Humpen Hexenhammer fallen.
Harlohs Adrenalinspiegel stieg sprunghaft an. Er lief vor Zorn rot an, zog sein Schwert und packte Quintzi an der Gurgel. »Ich bring dich um! Ich hack dir den Kopf ab und setz ihn auf eine Mauerzinne, als Warnung für …«
»Das wird nichts nützen«, sagte Quintzi und schielte angestrengt nach unten, auf die glänzende Schwertspitze vor seinem Hals. »Ich spreche lediglich aus, was zwangsläufig passieren wird, wenn sich erfüllt, was Ihnen bestimmt ist, sollten Sie mir die fünfundzwanzig Prozent nicht …«
»Und warum soll das etwas nützen, hä? Geld! Noch nie hat Geld den Lauf der Dinge verändert!« fauchte Harloh. Jedem seiner Worte war anzuhören, daß er verstört und voller Angst war.
»Soll das heißen, Sie zweifeln am Gesetz der Vorsehung?« krächzte Quintzi. Und genau in diesem Moment hallte wie aufs Stichwort ein lautes Knacken durch den Raum. Quintzi konnte sich nur mit Mühe ein Grinsen verkneifen. Wirklich bewundernswert, diese Nanos – langsam hatten sie den Bogen raus.
»Sagen Sie ja, ehe es zu spät ist!« flehte Doz Ysher. Die Menge geriet in Panik und fing an einsacken, was auf den Tischen lag.
Wieder stürzte eine beängstigend große Menge Putz und Mörtelstaub von der Decke.
»Beugen Sie sich Ihrem Schicksal! Lehnen Sie sich nicht auf gegen das, was Ihnen bestimmt ist!« drängte Quintzi. »Geben Sie mir schon das Geld!«
Holz splitterte, es rumpelte, knarrte und knackte, ein alter Eichenbalken löste sich von der Decke und landete krachend auf der Theke. Fässer und Flaschen flogen in alle Richtungen.
Harloh brüllte, er wand sich und litt Höllenqualen, hatte das Endstadium der Unentschlossenheit erreicht. »Nehmen Sie’s schon, verdammt noch mal! Da, nehmen Sie’s!« Er ließ das Schwert fallen, rannte wie ein Irrer von Tisch zu Tisch, räumte die Geldhaufen ab und warf Quintzi die Münzen hin. »Aber hören Sie endlich auf damit! Sofort!«
Quintzi steckte zwei gichtige Finger in den Mund und pfiff. Schlagartig ebbten die Geräusche des Unheils ab, und – ohne, daß es jemand bemerkt hätte – flitzten drei aufgekratzt kichernde Nanowichte wieder in Quintzis linkes Ohr.
»Das will ich sehen«, grunzte es in einer abgeschiedenen, dunklen Ecke des Raums. Zocks Gegner warf zwanzig Silbergroschen auf den Geldhaufen auf dem Tisch, der mittlerweile gut und gern fünfhundert wert war. Zock fuchtelte wie närrisch mit den Armen und deckte seine Karten auf: zwei vollständige Quartette. »Glück im Spiel, Geld für die Liebe!« sagte er, breitete die Arme weit aus und wollte seinen Gewinn einschaufeln.
Aber wenige Millisekunden bevor seine Finger den glänzenden Geldhaufen berühren konnten, schaufelten zwei arthritische Hände den Gewinn in einen Sack, mit dem sich Quintzi eilig in Richtung Ausgang davonmachte. Schwankend unter der
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