Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Nanowichte

Die Nanowichte

Titel: Die Nanowichte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrew Harman
Vom Netzwerk:
Huf kehrt.
    Merlot war sich nicht ganz sicher, aber er hätte beinahe schwören können, daß der Satyr »Hoffentlich erstickst du dran!« gebrummelt hatte. Aber wie auch immer – er hatte jedenfalls seine Pizza, und das war ihm im Augenblick am wichtigsten. Er klappte die Schachtel aus festem Pergament auf, holte ein brühheißes Stück Pizza heraus, balancierte es vorsichtig auf den Fingerspitzen und schlug die Zähne hinein.
    »Zufrieden?« raunzte Arbutus, der auf der Stuhllehne saß.
    »Hmm?« grunzte Merlot und blickte über die Schulter. Elastische, unzerreißbare Mordzarellafäden zogen sich wie klebrig zähe Seile von der Pizza zum Mund und blieben lauwarm und unvermeidlich in seinem Bart hängen.
    »Bist du jetzt glücklich, weil du schon nach so kurzer Zeit wieder eine Pizza bekommen hast?«
    »Hmmm.« Merlot nickte begeistert.
    »Und das kommt dir kein bißchen komisch vor?« Arbutus starrte vorwurfsvoll auf das pikante Häppchen.
    »Mmm mmm.« Merlot schüttelte verneinend den Kopf.
    »Wirklich nicht?«
    Jetzt kapierte Merlot endlich, es traf es ihn wie ein Blitz aus heiterem Himmel. Er schluckte den herzhaften Bissen, den er im Mund hatte, hastig hinunter. »Es tut mir unendlich leid, alter Junge. Wie konnt ich das bloß vergessen! Bitte verzeih mir.« Er griff an seinen Hut, zog schleunigst eine Maus heraus und hielt sie hoch.
    Arbutus warf einen Blick auf die Maus, sah mit Abscheu, wie sich zähe Käsefäden um das Nagetier wickelten, plusterte die Federn auf und schuhute hochnäsig: »Danke. Nicht für mich.«
    »Was ist? Kein Appetit?« murmelte Merlot. Dann ließ er die Maus fallen und biß wieder in die Pizza.
    »Ich bin noch satt.«
    »Was soll dann das Theater?« mümmelte Merlot mit vollem Mund und ließ sich ein ganz besonders pikant gewürztes Häppchen Giftschleiche schmecken.
    Arbutus knorzte empört und runzelte mißbilligend die Stirn. Es war bemerkenswert, wie sich mit Hilfe gefiederter Brauen die Wirkung einer mißbilligend gerunzelten Stirn steigern ließ. »Was ist eigentlich mit deinem Gedächtnis?«
    Merlot zuckte die Achseln und mühte sich einem weiteren fädenziehenden Bissen ab.
    »Also ehrlich gesagt: Ich versteh nicht, wie du es zum Zauberer gebracht hast! Wundert es dich denn gar nicht, daß du für diesen … diesen Imbiß …« (Arbutus fauchte) »…bezahlen mußtest, während der andere umsonst war? Kommt dir das nicht verdächtig vor?«
    Merlot schluckte hinunter und blickte die Eule aufmerksam an. »Weißt du: Das tut es in der Tat. Ich habe lange überlegt, was mich an der Sache gestört hat. Ich glaube, es war die Dreistigkeit, mit der dieser Kerl aufgetreten ist.« Er stellte die Pizzaschachtel ab und begann wieder in seinen Taschen herumzukramen. »Nichts gegen Geschäftssinn im allgemeinen. Solange ich für meine Pizza nicht zahlen muß, ist das durchaus in Ordnung.«
    Arbutus schlug sich verzweifelt mit dem Flügel an die Stirn.
    Merlot brummelte und grummelte vor sich hin, grunzte schließlich zufrieden und zog aus einer Innentasche das Ticket für seine Kabine heraus. »Dann wollen wir doch mal sehen«, sagte er und fing an, das Kleingedruckte auf der Rückseite zu studieren. »Fehlanzeige«, befand er und warf das Ticket weg. »Kein Wort davon, daß man für Erfrischungen acht Groschen fuffzig bezahlen müßte. Ich wußte doch, das da was nicht stimmte. Warte nur, wenn ich diesen Satyr erwische!« Er war mit einem Satz auf den Beinen.
    »Nein, nein, nein!« schrie Arbutus. »Denk doch an das Mädchen!«
    »Ja, das nenne ich Anstand!. Die hätte mir gut und gern vier Groschen abknöpfen können, und mir wäre gar nicht aufgefallen, daß …«
    »Manchmal frage ich mich wirklich, warum ich mich eigentlich …«, murrte Arbutus. Aber dann – es blieb wohl nichts anderes übrig – dann fuhr er herum, fixierte Merlot und blickte ihm streng, sehr streng in die Augen. »Sie hat dich reingelegt!«
    »Aber nein! Wie kannst du so etwas sagen? So ein entzückendes, reizendes …«
    Zwei Dinge waren es, die den MAD-Kommandanten, der diese Unterhaltung verfolgte, maßlos ärgerten.
    Erstens: Er hatte nicht die leiseste Ahnung, worüber die beiden sprachen – bis dato war man noch nicht dahintergekommen, wie man einen Linser zur Tonübertragung bewegen konnte. Zweitens: Er hatte nie Gelegenheit gehabt, Lippenlesen zu lernen. Wobei man allerdings – so ging es ihm in einem jener höchst seltenen und allenfalls eine Millisekunde anhaltenden Momente launiger Gestimmtheit

Weitere Kostenlose Bücher