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Die Nanowichte

Die Nanowichte

Titel: Die Nanowichte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrew Harman
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Last von etwas über dreißigtausend Silbergroschen stakste er kichernd durch das Chaos aus Mörtelstaub und Spielkarten zur Tür hinaus.
    Doch, doch, dachte er, diese Art der Lebensgestaltung hat durchaus etwas für sich. Man könnte sich direkt daran gewöhnen.
    Zock fluchte wie ein Fuhrknecht. Plötzlich war ihm klargeworden, was er falsch machte. Blitzartig war ihm die Erleuchtung gekommen, daß es auch andere, erheblich einfachere Möglichkeiten gab, um unermeßliche Geldmengen zu gewinnen. Noch bevor seine Karten auf dem Boden aufschlugen, war er auf den Beinen und zur Tür hinaus.
     
    Eines stand fest: Er hatte überhaupt keine Ahnung, wie spät es war.
    Normalerweise hatte Merlot ja kaum Schwierigkeiten, auf dem laufenden zu bleiben, was die Zeit anging, dieses vergänglichste der Elemente. Aber hier, in einer Privatloge, bestens mit Wein versorgt, bei einem Polo-Match, das absolute Spitze … Nun, nicht einmal Arbutus hätte verläßlich sagen können, wie lange das Spiel nun eigentlich schon dauerte.
    Erst als der letzte Tempelritter vom Spielfeld geschleift und die Pause angekündigt wurde, erst da blickte Merlot einmal zufällig auf den Haufen leerer Flaschen, der sich in einer Ecke angesammelt hatte, und bemerkte, daß das flüchtige Tempus unter Umständen doch schon ein wenig weiter fugitiert war, als er gedacht hatte.
    Plötzlich klopfte es. Ein junger Satyr, ein großes Warmhaltetablett mit Pizzas in den Händen, stieß die Tür auf. »Kleiner Imbiß für die Pause gefällig?« fragte er munter und wollte schon loslegen und die Zutatenlitanei herunterrattern.
    Merlot begutachtete das knusprige Speisenangebot, schnupperte den warmen Kräuterduft und leckte sich die Lippen. Er stand auf, schwankte ein wenig und marschierte torkelnd auf die Delikatessen los – ohne etwas von der Panik zu ahnen, die plötzlich in einem gewissen Observationsraum ausbrach, der im Innersten des MAD-Hauptquarties verborgen lag.
    »Was soll das denn?« brüllte der MAD-Kommandant und zeigte auf den Pizza-Satyr. »Ich habe doch strikte Anweisung gegeben, daß niemandem – ich wiederhole: niemandem! – zu dieser Zuschauerkabine Zutritt gewährt werden darf!«
    Merlot zeigte – beobachtet von einem unbewegt starren Linserauge – auf eine Pizza, die so groß wie ein Wagenrad und mit pikant gewürzter Giftschleiche und Ananas belegt war, und grinste den Satyr gierig an.
    »Möchte bloß wissen, wo du das alles verstaust!« schrie Arbutus und spreizte beleidigt die Schwungfedern. »Du hast doch die letzte noch nicht mal verdaut.«
    »Macht acht Groschen fuffzig, Kollege«, sagte der Satyr.
    »Sein Sie so nett und setzen Sie’s mit auf die Rechnung«, lächelte Merlot und streckte die Hand aus.
    »Auf was für ’ne Rechnung?« fragte der Satyr und schnappte ihm die Pizza weg.
    »Auf die Kabine hier. Ist alles inklusive: Zuschauerkabine, Erfrischungen und alles, was so dazugehört, verstehen Sie?« sabberte Merlot.
    »Da weiß ich nix davon, Kollege. Acht Groschen fuffzig.« Er hielt eine Hand auf und wedelte mit der anderen mit der Pizza.
    Merlot richtete sich zu seiner vollen Größe auf und funkelte den Jungen herausfordernd an. »Jetzt hören Sie mal: Die charmante junge Dame, die eben da war, hat mich umsonst bedient, und zwar aufs angenehmste!«
    »Kann ich mir vorstellen.« Der Satyr grinste. Ganz schön lüstern.
    »Nein, nein. Mit Pizza, Dummkopf. Zwei Stück. Gratis!«
    »War vielleicht ein Sonderangebot. Aber die hier kostet deswegen immer noch acht Groschen fuffzig.«
    »Wucher«, murrte Merlot und seiberte gereizt.
    »Also hören Sie mal, ich brauch mir hier doch nicht Ihre Märchen anzuhören. Ich muß vor Ende der Pause noch eine ganze Reihe Zuschauerboxen abklappern. Wenn das Spiel wieder losgeht, interessiert sich kein Mensch mehr für mein Zeug. Also wollen Sie sie jetzt oder nicht?«
    »Nun ja, natürlich will ich …«
    »Acht Groschen fuffzig, und sie gehört Ihnen.«
    Merlot brummelte etwas von ›Nepp‹ und ›schlechtem Service‹ in seinen Bart und kramte in seinen Taschen nach Kleingeld. Nachdem er sechzehn Schnurknäuel, zwölf Dutzend Spinnen, einen Haufen merkwürdig bunter Drähte, ein nicht identifizierbares Fusselgemengsel und einen Goldfisch ausgegraben hatte, gelang es ihm endlich, das nötige Kleingeld zusammenzukratzen.
    Der Satyr nahm die Münzen, wischte sich angewidert die Hand ab und warf Merlot die Pizza hin. »Mahlzeit!« zischte er und machte, leise vor sich hinbrummelnd, auf dem

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